James Bond 6: Dr. No, Ian Fleming (Buch)

James Band 6
Dr. No
Ian Fleming
(Dr. No, 1958)
Übersetzung aus dem Englischen von Stephanie Pannen und Anika Klüver
Titelbild von Michael Gilette
Cross Cult, 2013, Taschenbuch, 360 Seiten, 12,80 EUR, ISBN 978-386425-080-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

„Dr. No“ ist der erste Teil der Filmreihe, in der Originalvorlage allerdings schon der sechste Band der „James Bond“-Serie, was das Buch in einem interessanten neuen Licht erscheinen lässt, denn auch wenn vieles vertraut wirkt, so ist doch einiges ganz anders.

James Bond hat sein letztes Abenteuer nur knapp überlebt, hätten ihn die „Liebegrüße aus Moskau“ doch fast ins Grab gebracht. Das führt dazu, dass sein Verhältnis zu M nicht mehr ganz so gut ist, wie vorher und dieser mehr als sonst an ihm zu kritisieren hat. Doch der nächste Einsatz wartet schon. Diesmal soll sich Bond nach Kuba begeben, um herauszufinden, wer den dortigen Agenten und seine Assistentin ausgeschaltet hat. Als Tourist soll er sich dort einschleichen, um nach dem Rechten zu schauen und sich entgültig zu erholen. Bond nimmt an, auch wenn er noch ein bisschen an seinen letzten Fehlern zu knabbern hat. Doch schon bald muss er feststellen, dass man ihn offensichtlich schon erwartet hat. Nach mehreren Mordanschlägen mit Gift und gefährlichen tropischen Insekten, denen er nur knapp entgeht, beschließt er nicht länger nur zu beobachten, sondern endlich die Initiative zu ergreifen. Eine Spur führt ihn zu einer der kubanischen Küste vorgelagerten Inseln, die einem verschrobenen halbchinesischen Eremiten gehört, der den dortigen Guano verwertet und seltsame Dinge treibt. Und wer ist das hübsche Mädchen am Strand des Eilands, das ganz unschuldig Muscheln zu sammeln scheint – eine unbeteiligte Fremde oder vielleicht eine von Dr. Nos Agentinnen?

Für Filmliebhaber besonders spannend ist, wie sich die vertauschte Reihenfolge von „Liebesgrüße aus Moskau“ und „Dr. No“ auf die Texte auswirken. Zugleich werden sie auch bei diesem Buch überrascht feststellen, wie eng man sich bei den ersten Verfilmungen an Ian Flemings Texte gehalten hat, teilweise sind sogar Dialoge übernommen worden und nicht nur die Szenen.

Das Setting ist ganz typisch fünfziger Jahre. Vorurteile und Klischees des Briten gegenüber anderen Völkern wie Farbigen und Chinesen kommen deutlich zum Tragen und werden genüsslich ausgekostet – politische Korrektheit gibt es nicht unbedingt, wenn es um Standes- und Rassendünkel geht. Auch das Frauenbild ist sehr antiquiert. Wieder nimmt Bond seine Begleiterin nicht für voll – Honey Rider benimmt sich auch stellenweise wie ein naives Kind. Wer sich über die Figur im Film geärgert hat, wird feststellen, dass dieser Charakter im Roman noch viel schlichter und hilfloser wirkt als in der Verfilmung – auch wenn sie es eigentlich nicht ist. Die Geschichte selbst folgt einem klassischen Aufbau: In Kuba wird ein Agentenbüro ausgeschaltet, Bond sieht sich dort um, wird bedroht und dreht den Spieß um, bevor er sich dem Gegenspieler von Angesicht zu Angesicht stellt. Ein wenig Humor bringt Fleming diesmal durch den Streit zwischen M und Bond wegen seiner Waffe ein – etwas, das auch in die Filme Eingang gefunden hat.

Alles in allem ist auch „Dr. No“ wieder ein unterhaltsames, klassisches Agentenabenteuer, das ein ganz neues Licht auf den britischen Staragenten wirkt, weil er wieder kein Superheld ist, sondern ein ganz normaler Mann mit Fehlern und Schwächen. Das Buch gewinnt besonderen Reiz für die Filmfreunde, da es einerseits sehr nah an dem Streifen mit Sean Connery bleibt und sich sogar Dialoge gleichen, auf der anderen Seite aber der Wissenstand über die Verbindungen der Feinde untereinander und zu gewissen Geheimorganisationen, durch die vertauschte Reihenfolge ein ganz anderer ist.