Locke & Key 1: Willkommen in Lovecraft (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 14. Oktober 2009 01:00
Locke & Key 1
Willkommen in Lovecraft
(Locke & Key: Welcome to Lovecraft 1 – 6)
Autor: Joe Hill
Zeichner: Gabriel Rodriguez
Farben: Jay Fotos
Übersetzung: Reinhard Schweizer
Lettering: RAM
Panini, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 172 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-850-5
Von Christel Scheja
Joe Hill ist nicht nur ein aufstrebender junger Autor, der mit seinem Roman »The Heartshaped Box« und seiner Kurzgeschichtensammlung »20th Century Ghosts« große Beachtung fand, sondern auch als Sohn von Stephen King erblich ein wenig vorbelastet. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der bekennende Comic-Fan beschlossen hat, in einigem etwas andere Wege zu gehen. So ist zusammen mit dem chilenischen Künstler Gabriel Rodriguez die Comic-Reihe »Locke & Key« entstanden.
Bisher hat die Familie Locke im beschaulichen, wenn auch zugegebenermaßen etwas hinterwäldlerischen Mendochino-Valley gelebt. Dann aber ist das Grauen in Form von zwei psychopathischen Serienmördern in ihr Leben getreten und haben den Vater bestialisch ermordet.
Nur um Haaresbreite sind Mrs. Locke und ihre drei Kinder Tyler, Kinsey und Bode dem Grauen entkommen. Doch ganz spurlos ist das nicht an ihnen vorbei gegangen – vor allem der Älteste kann die Geschehnisse nicht verarbeiteten, da er einen der Angreifer getötet hat. Und Kinsey hat zwar ihren kleinen Bruder beschützt, aber selbst vor Angst geschlottert und hält sich daher für einen Feigling.
Um alles hinter sich zu lassen, zieht Mrs. Locke auf einen Vorschlag ihres Schwagers hin in das Geburtshaus ihres Mannes. Im »Keyhouse« im kleinen Ort Lovecraft in Massachusetts sind sie weitab von dem Ort des Geschehens und vielleicht auch sicher vor dem überlebenden Psychopathen namens Sam, der inzwischen in einer Jugendstrafanstalt einsitzt.
Das alte viktorianische Gemäuer ist den Kindern zunächst unheimlich erweist sich aber vor allem für den sechsjährigen Bode bald als Abenteuerspielplatz voller magischer Geheimnisse und Wunder. Er findet es eher lustig als beängstigend, dass eine Tür die Seele von seinem Körper trennt und er so als Geist die anderen beobachten kann. Traurig ist nur, dass weder seine Geschwister noch seine Mutter ihm wirklich glauben wollen.
So halten sie auch den Geist, der in im alten Brunnen des Hauses lebt für eines seiner Hirngespinste. Doch die Frau, die dort gefangen ist und ihr Garn spinnt ist alles andere als freundlich und hat schon längst einen Plan gefasst, um sich zu befreien, nachdem sie von Bode so einiges erfahren hat.
Wie groß ihre Macht ist erweise sich erst, als sie Sam die Möglichkeit gibt, sich aus seiner Zelle zu befreien und sein Werk zu vollenden. Und nur Bode ist jetzt noch in der Lage, sie aufzuhalten.
Nomen est Omen – schon der Namen des fiktiven Örtchens in Neuengland macht deutlich, dass das alte Haus mehr als ein Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert ist, sondern namenlose Schrecken birgt. Allerdings ist Joe Hill nicht so vermessen nach den Klassikern zu greifen, sondern vermischt zwei recht aktuelle Themen der phantastischen Thrillerliteratur miteinander.
Rachsüchtige Mädchengeister, die in Brunnen hausen kennt man nicht zuletzt aus »The Ring« und Serienkiller aller Facetten sind heute sehr beliebt. Und so vermischt die Geschichte geschickt Elemente des Psychothrillers und des Horrors. »Locke & Key« ist zwar blutig, aber das wenigste davon wird durch die übernatürlichen Kräfte bewirkt.
Unbemerkt tritt der junge Held in die Fußstapfen seines ermordeten Vater und wird zu einem weiteren Hüter der Geheimnisse des Key-Houses. Wie so oft erweist sich damit das schwächste Glied in der Familie nun auch noch als das stärkste – den Schlüssel zur Rettung. Bode hilft durch sein unbedingtes Vertrauen und seine Naivität den Älteren ihre Ängste und Traumata zu überwinden und mehr.
Das alles ist sehr spannend und atmosphärisch erzählt. Durch die verschachtelte Erzählweise erfährt man einiges über die Vorgeschichte der Familie, hin und wieder fließen auch einige Hinweise auf spätere Geschehnisse ein. Denn auch wenn die Story in sich geschlossen zu sein, so hat sie doch noch kein Ende gefunden und macht Lust auf mehr.
Die Zeichnungen von Gabriel Rodriguez tun ihr Übriges, um die Atmosphäre zu vertiefen. Sie sind klar und deutlich, detailreich und lebendig. Durch die erdige Einfärbung der Bilder bleibt die Stimmung düster und melancholisch, so wie man es auch erwartet.
Alles in allem richtet sich »Willkommen in Lovecraft« an alle Comic-Leser, die auch sonst Dark Fantasy mit einem Hauch Psychothriller und Horroreffekten mögen, die dem ganzen einen schonungslosen Realismus verleihen.