Dan Simmons: Bitterkalt – Jo Kurtz 2 (Buch)

Dan Simmons
Bitterkalt
Joe Kurtz 2
(Hard Freeze)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Manfred Sanders
Festa, 2013, Taschenbuch, 380 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-226-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Armin Möhle

„Bitterkalt“ ist der zweite von drei Kriminalromanen von Dan Simmons, den der Festa Verlag vorlegt. Genau wie in „Eiskalt erwischt“ spielt auch in diesem Band der nach zwölf Jahren aus der Haft entlassene Ex-Privatdetektiv Joe Kurtz die Hauptrolle. In „Bitterkalt“ macht er genauso weiter wie er in „Eiskalt erwischt“ aufgehört hat – nein, er steigert sich. Bereits in dem ersten Kapitel des Romans lässt er drei Tote zurück. Ein Gangstertrio, das ihn im Auftrag des im Gefängnis einsitzenden Gangsters Little Skag, Sohn des in „Eiskalt erwischt“ ums Leben gekommenen Mafiabosses Don Farino, umbringen sollte.

Kurtz spürt die kürzlich aus Europa zurückgekehrte Angelina Farino auf, die für ihren Bruder agiert und eine Allianz mit dem Mafia-Boss Emilio Gonzaga vorbereiten soll. Tatsächlich will Emilio Gonzaga die Reste der Farino-Familie ausschalten, was Angelina bewusst ist, weshalb sie sich mit Joe Kurtz verbündet. Kurtz hat auch ein persönliches Interesse daran, Emilio Gonzaga zu töten.

„Bitterkalt“ ist vielschichtiger als der Vorgängerband. Simmons arbeitet mit drei Handlungssträngen: Neben der Auseinandersetzung mit Emilio Gonzaga wird Kurtz von Konzertviolinist John Wellington Frears gebeten, den Mörder seiner Tochter aufzuspüren, die vor zwanzig Jahren getötet wurde. Ihr Mörder gilt als tot, doch Frears ist sich sicher, ihn kürzlich in Buffalo gesehen zu haben. Dieser Angelegenheit geht Kurtz zunächst nur zögernd nach. Motivierter ist er darin, auf die Tochter Rachel seiner ermordeten Partnerin zu achten (die wohl auch seine ist), die von ihrem versoffenen Witwer mehr schlecht als recht betreut wird.

Die Handlungsstränge laufen selbstverständlich in dem fulminanten Finale zusammen.

Zwar ist auch „Bitterkalt“ so routiniert geschrieben, dass der Autor den Leser bei der Stange halten kann, auch wenn Simmons die Glaubwürdigkeit von Zufällen zu sehr strapaziert. So entpuppt sich der Serienkiller, der in Abständen von wenigen Jahren mit Hilfe ein- und desselben Zahnarztes seine Identität wechselt und auch Frears Tochter auf dem Gewissen hat, als Captain in der Mordkommission der Polizei von Buffalo (sic!), der die Jagd auf Kurtz an sich reißt. Angelina Farino ist eine ambitionierte Einbrecherin, die mühelos die hochwertigen Alarmanlagen und Tresore ausschalten kann, in dem der Serienkiller beziehungsweise Captain sein Waffenarsenal und die Trophäen seiner Verbrechen aufbewahrt.

Immerhin erklärt Simmons in „Bitterkalt“, weshalb Kurtz nach dem Mord, den er im ersten Kapitel von „Eiskalt erwischt“ begann, bereits nach zwölf Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde: „(...) ein Schläger, (…) und dann dank der Faulheit und der Schlamperei des Büros des Bezirksstaatsanwalts vor zwölf Jahren eine Anklage wegen Mord zweiten Grades zu einer Verurteilung wegen Totschlags herunterhandeln konnte.“ (Seite 124). Aha! Seine reaktionäre Gesinnung macht der Autor auch in einem Dialog zwischen Kurtz und Frears über die „(...) Stadien der moralischen Entwicklung“ (Seite 329) von Menschen deutlich.

„Bitterkalt“ ist wie „Eiskalt erwischt“ brutal und leichenreich. Joe Kurtz zeigt noch weniger Skrupel. Das Eingangskapitel lässt sich mit viel Toleranz noch als Notwehrsituation betrachten (dies ist immerhin eine Buchbesprechung und keine juristische Abhandlung, nicht wahr?), außerdem verschont Kurtz im Laufe der Handlung das Leben zweier Gangster, die ihn töten wollten bzeziehungsweise am Tod seiner Partnerin beteiligt waren. Dem steht freilich ein eindeutiger, unprovozierter Mord an einem weiteren Gangster gegenüber. Angesichts dieses Lebenswandels würde es nicht überraschen, wenn Kurtz in dem dritten Band, „Kalt wie Stahl“ (der als „Festa Crime 6“ im Mai 2013 erscheinen soll), den Tod findet. Zumal er in den letzten Kapiteln von „Bitterkalt“ erheblich stärker lädiert wird als in denen von „Eiskalt erwischt“.

Auch in „Bitterkalt“ setzt der Festa Verlag seine unseriöse Geschäftspraktik fort, das Cover zu Beginn jeden Kapitals nochmals abzudrucken (in einer schwächlichen Schwarz/Weiß-Wiedergabe). Es ist nur ein schwacher Trost für den Leser, dass „Bitterkalt“ einige Kapitel weniger als „Eiskalt erwischt“ enthält, so dass der Käufer diesmal ‚nur‘ 38 plus einige Leerseiten mit bezahlen muss, die keinerlei Nutzen für ihn haben.

Aufgrund der vielschichtigeren Handlung stellt „Bitterkalt“ eine Steigerung gegenüber „Eiskalt erwischt“ dar. Die zwiespältigen Aspekte der Handlung haben sich dagegen verstärkt.