Alina Bronsky: Spiegelriss (Buch)

Alina Bronsky
Spiegelriss
Titelbildgestaltung von Frauke Schneider
Arena, 2013, Hardcover, 262 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-4010-6799-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Nichts ist mehr, wie es einmal war, wenn irgendwann ein Lügengebilde zusammenbricht, das man Leben nennt. Das musste Juli erst vor kurzen schmerzhaft erfahren. Lange Zeit hat sie in einer wohlgeordneten Welt gelebt, in der alles bis aufs Kleinste geregelt war. Doch als ihre Mutter eines Tages spurlos verschwindet, fühlt sich auch Juli nicht mehr wohl.

Sie muss erfahren, dass ihre Mutter eine Phee war, Angehörige einer Rasse, die von dem System, in dem sie lebt, gehasst und verteufelt werden, weil sie für Inspiration, Individualität und Freiheit stehen. Durch die Geschwister Istvan und Ksü erfährt sie von dem Vermächtnis der Pheen und dass sie selbst eine ist. Sie konnte sogar ihre Mutter und ihre Geschwister wiedersehen und eine ruhige Zeit im Wald verbringen, der der Obrigkeit so viel Angst machte. Am Ende bleibt ihr nur die Flucht, denn sie wird von nun an als letzte lebende Phee und Mörderin gesucht.

Zuflucht findet sie bei Jugendlichen, die am Rande der Gesellschaft leben. Niemand aus dem „Rudel“ besitzt noch Identitätsmarken, ihr Alltag ist eine Mischung aus Herumlungern in Ruinen und abgelegenen Teilen der Stadt und abendlicher Nahrungssuche in den Mülltonnen der „Normalen“. Die anderen akzeptieren Juli, auch wenn sie sich von ihnen ein wenig absondert. Doch sie sehen in „Babyfuß“ keine Gefahr und auch keine Spionin. Allein Kojote ahnt, dass etwas mehr hinter ihr steckt, als sie behauptet – und kommt hinter ihr Geheimnis. Doch ist er der Verräter, als sie eines Tages von der Obrigkeit verhaftet, gefesselt und an einen unbekannten Ort gebracht wird, um verhört und gefoltert zu werden? Oder sind es vielleicht Istvan und Ksü oder Julis Großeltern, bei denen sie zuletzt Zuflucht gesucht hatten?

Anders als „Spiegelkind“ ist „Spiegelriss“ mehr den romantischen Dystopien zugeneigt und zeigt die Welt, in der Juli bisher gelebt hat mit all ihren düsteren Facetten. Das beginnt schon mit dem „Rudel“, das seine Freiheit nur dadurch bewahrt, dass es am Rande der Gesellschaft und in bitterster Armut lebt, auf der anderen Seite aber auch völlig desillusioniert ist. Später bekommt Juli die ganze Härte des Systems zu spüren, als sie in die Hände der Obrigkeit gerät und ihr hilflos ausgeliefert ist.

Hilflos ist auch das Stichwort für die Schwächen des Buches. Im Gegensatz zum ersten Teil wirkt Juli diesmal sehr schwach. Sie wird selten genug aus eigenem Antrieb aktiv, stattdessen reagiert sie meistens einfach nur auf das, was um sie herum passiert oder wartet darauf, dass sich etwas ändert. Selbst in Gefangenschaft wirken ihre Versuche sich zu wehren eher halbherzig als ernstzunehmend.

Die Geschichte beantwortet leider auch diesmal kaum Fragen. Noch immer weiß man nicht genau, was Pheen eigentlich sind, und warum sie das System fürchten, Welche Bedeutung wird Juli zugeschrieben? Warum ist sie scheinbar etwas ganz Besonderes? Leider trudelt die Handlung in weiten Teilen nur von einer Episode zur anderen, aber man lernt nichts Neues über ihre früheren Freunde oder die Gefahren, die Juli umgeben, stattdessen baut sich eine neue Romanze auf, die auch eher halbherzig wirkt. Letztendlich ist das Buch wesentlich schwächer als der Auftakt, was auch daran liegen kann, dass es den undankbaren Platz des zweiten Bandes einer Trilogie einnimmt und gerade erst einmal Weichen für das Ende stellen darf.

Leider kann „Spiegelriss“ nicht mit „Spiegelkind“ mithalten, da die Autorin es nicht schafft, den roten Faden aus dem ersten Band straff weiterzuführen. Dem Buch fehlt über weite Strecken Spannung, auch die Figuren machen einen Rückschritt, der ihnen gar nicht gut tut. Aus diesem Grund muss man sich mehr denn je auf die Geschichte einlassen können, um sie wirklich zu genießen.