Matthias Falke: Ruinenwelt – Enthymesis 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 03. März 2013 09:30
Matthias Falke
Ruinenwelt
Enthymesis 1
Titelillustration von Alexander Preuss
Begedia, 2012, Taschenbuch, ca. 380 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-9813946-8-9 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Die „Marquis de Laplace“ ist auf der Suche nach außerirdischem Leben. Im Kälteschlaf übersteht die Besatzung die Jahrzehnte langen Flüge in unbekannte Regionen des Alls, um an Ort und Ziel dann, in einem engen Zeitfenster, die angeflogenen Planeten zu untersuchen. 3Alpha-X ist das aktuelle Ziel. Die karge Welt mit einer für Menschen atembaren Atmosphäre umkreist eine uralte, erlöschende Sonne.
Ein erstes Expeditionsshuttle mit dem Leiter der Archäologischen Abteilung und einem Piloten an Bord ist auf der Welt havariert. Commander Nilsson soll eine Save and Rescue Mission zur Bergung der beiden Havarierten anführen. Beim Anflug auf den Ruinenplaneten stürzt auch sein Shuttle ab, es gelingt gerade noch, unbeschadet zu laden. Zusammen mit den Wissenschaftlern vor Ort und seiner Crew macht Nilsson sich auf, das Mysterium zu erkunden. Ein mysteriöses Kraftfeld stört alle höher entwickelte Technik. Eine Verbindung mit dem Mutterschiff ist ebenso unmöglich, wie der Start des Shuttles. In den vielen Höhlen und Gängen der aufgefundenen Ruinen stoßen sie auf Überreste einer lang vergangenen Zivilisation. Während die Forscher sich ganz auf den sensationellen Fund konzentrieren wollen, sorgt Nilsson sich darum, dass es ihnen nicht gelingen könnte, rechtzeitig vor dem Weiterflug der „Marquis“ an Bord zurückzukehren. Ihnen allen droht, für Jahrzehnte auf dem Planeten bleiben zu müssen. Während die Forscher voller Elan die fremden Relikte untersuchen, kommt es zu ersten zwischenmenschlichen Verwerfungen. Es wird immer deutlicher, dass sie nur mit dem Entschlüsseln der Blauen Kammern und der darin enthaltenen Hochtechnologie eine Chance haben, wieder auf das Mutterschiff zurückzukehren …
Im ersten Roman der „Enthymesis“Trilogie, die selbst wiederum nur ein Bestandteil einer weit umfassenderen Schöpfung Matthias Falkes ist, stieß ich auf etwas Besonderes, etwas, das ich in dieser Ausprägung lange nicht mehr gelesen hatte. In den letzten Jahrzehnten sind SF-Romane, die sich abseits großer Weltraumschlachten oder dem Aufeinanderprallen interstellarer Mächte mit den wissenschaftlichen Erforschen fremder Planeten, der Suche nach intelligentem Leben da draußen beschäftigen, rar geworden. Jack McDevitt mit seinen Priscilla-Hutchins-Romanen stellt hier eine rühmliche Ausnahme dar, ansonsten sucht man Forscher-SF in den Programmen der einschlägigen Verlage vergebens. Umso größer meine Freude, als ich die bislang drei Bücher Falkes im Begedia Verlag entdeckte („Bran“, ein serienunabhängiger Roman Falkes erschien kürzlich bei Atlantis). Aus der Ich-Perspektive geschildert geht es hier nicht darum, mit Geschützbatterien ins All zu zielen oder Flottenteile zu manövrieren um den Gegner einen Schlag zu versetzen, hier steht die Faszination eines anderen Planeten und die Überbleibsel einer unbekannten Zivilisation im Mittelpunkt.
Dabei sind insbesondere die Beschreibungen des Planeten sehr gelungen. In malerischen Worten und beeindruckenden Bildern beschreibt uns der Autor den verlassenen Planeten. Hier besticht Falke mit atmosphärisch dichten Beschreibungen, die uns den Handlungsort in all seiner Verlassenheit, seiner Einsamkeit und seinen Geheimnissen fühlbar machen. Dazu gesellt sich das Geheimnis der von den Aliens zurückgelassenen Relikte. Die „Blauen Kammern“, in denen sich die keramikähnlichen Fließen aneinanderreihen, vermitteln dem Leser das Gefühl von etwas Fremden. Hier blinken einmal keine Lämpchen in gigantischen Maschinenkomplexen, sondern es gilt etwas wirklich Unbekanntes zu erfassen, zu erfahren und zu erforschen.
Nicht ganz so überzeugend sind die beschrieben Personen, allen voran die Co-Pilotin Jill Lambert. Wie eine solch jammernde Heulsuse jemals die Ausbildung zur Shuttlepilotin absolviert hat, ist ein Rätsel. Auch unser Ich-Erzähler ist kein sonderlich einfühlsamer Mensch oder charismatischer Vorgesetzter. Gerade in den Krisensituationen, die eigentlich ein wenig Fingerspitzengefühl notwendig machen würden, erweist er sich als „unangreifbarer Berg“ (wie er sich selbst bezeichnet), als unsensibler Kommisskopf. Gerade weil die sich zuspitzende Situation den emotionalen Druck, der auf den Expeditionsteilnehmern lastet, immer weiter erhöht wäre hier ein integerer Anführer gefordert. Nilsson erweist sich, auch in der Sicht seiner Geliebten, als Mensch, der seine Untergebenen innerlich verachtet, der sich zum Teil recht zynisch über sie auslässt.
Sieht man über diese Schwächen in der Charakterzeichnung hinweg, erwartet den Leser ein über die gesamte Länge des Romans hinweg spannendes Buch das immer wieder neue Rätsel einer fremden Welt in den Mittelpunkt rückt, das den zunehmenden Druck, der auf den Gestrandeten lastet, thematisiert, stilistisch insbesondere in der Darstellung der Ruinenwelt glänzt und einem fast vergessenen Sub-Genre der SF neues Leben einhaucht.