Cate Tiernan: Ein Kelch voll Wind – Hexenflammen 1 (Buch)

Cate Tiernan
Ein Kelch voll Wind
Hexenflammen 1
(Balefire. A Chalice of Wind, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Kathrin Wolf
Titelgestaltung von Isabell Hirtz
cbt, 2013, Taschenbuch, 318 Seiten, 7,99 EUR, ISBN 978-3-570-38033-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Thais Allard ist 17 Jahre alt, als sie ihren Vater durch einen tragischen Unfall verliert. Es kommt aber noch schlimmer: Da ihr vier Monate bis zur Volljährigkeit fehlen, wird sie unter Vormundschaft gestellt, nicht aber unter die der alten, mütterlichen Nachbarin und langjährigen Freundin von Vater und Tochter, sondern unter die einer völlig Fremden, angeblich einer guten Bekannten des Vaters.

Axelle Gauvin, die das Aussehen einer Domina und nichts Mütterliches an sich hat, lebt in New Orleans/Louisiana und veranlasst Thais Umzug. Das junge Mädchen muss nun den Schulabschluss in einer ihr völlig fremden Umgebung absolvieren, und wie es danach weitergeht, ob sie bei Axelle bleibt, nach Welsford/Connecticut zurückkehrt oder anderswo neu beginnt, ist offen. Tatsächlich hasst Thais New Orleans, die feuchte Hitze, die schon am Tag betrunkenen Einheimischen und Touristen … Auch mit Axelle und deren merkwürdigen Freunden wird sie nicht warm, obwohl jeder sie freundlich-gleichgültig behandelt. Als Thais einen ihrer schrecklichen Albträume hat und sich beinahe mit dem Laken stranguliert, zeigt Axelle große Besorgnis und wirkt Schutzmagie, sehr zu Thais’ Verwunderung, die nicht an Zauberei glaubt und daraufhin Axelle für noch seltsamer hält. Es soll jedoch nicht das einzige schockierende Erlebnis dieser Art für Thais bleiben. In der Schule trifft sie auf ein Mädchen, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Außerdem begegnet Thais dem faszinierenden Luc…

Die 17jährige Clio Martin hat früh ihre Eltern verloren und wurde von ihrer Großmutter aufgezogen. Diese weihte sie früh in die Geheimnisse der ‚Bonne Magie‘ ein, welche für das Mädchen so natürlich ist wie das Atmen, wenngleich sie sich viel lieber amüsieren statt ständig studieren würde. Als ihr der attraktive André begegnet, ist es Liebe auf den ersten Blick. Damit nimmt Clios Phase der belanglosen Flirts mit ‚dummen Schuljungen‘ ein Ende. Ihm möchte sie sich hingeben, aber entweder kommt etwas dazwischen, oder ein letztes Restchen Verstand warnt sie davor, seinem Drängen nachzugeben. Als ihr am ersten Schultag ihr Zwilling Thais begegnet, ist sie schockiert und alles andere als erfreut. Die Großmutter nimmt die Fragen, was damals mit Clios Eltern passierte und ob sie tatsächlich eine Schwester habe, von der sie getrennt wurde, mit großem Ernst entgegen. Die Geschichte, die dahintersteckt, erzählt sie beiden Mädchen, verrät aber nicht gleich alle Konsequenzen. Denn nun kommen Axelle und ihre Freunde ins Spiel, die nach etwas suchen, große Macht begehren und dafür Clio und Thais benötigen. Es scheint jedoch auch Personen zu geben, die das verhindern wollen und geeignete Momente abpassen, um die Zwillinge zu töten…

Das Thema ist nicht neu: Zwillinge werden unmittelbar nach ihrer Geburt getrennt, wachsen unter sehr verschiedenen Bedingungen auf und laufen sich zufällig Jahre später über den Weg. Sind sie glücklich über die Entdeckung, nicht allein zu sein? Oder sorgen sie sich, das, was ihnen Jahre lang gehörte, an die andere zu verlieren, die vielleicht extrovertierter, klüger, charmanter ist? In diesem Fall geht es noch weiter, denn die eine ist eine behütete Katholikin, die nicht an Magie glauben will, die andere ist eingeweiht und hat sich im Bewusstsein ihrer Möglichkeiten zu einem sehr selbstbewussten Mensch entwickelt. Wie sie damit und mit einem anderen Konfliktpunkt umgehen werden, verraten erst die kommenden drei Bände.

In diesem Buch werden vor allem die verschiedenen Charaktere von Thais und Clio herausgearbeitet, ein Teil weiterer wichtiger Protagonisten vorgestellt und die Problematik festgelegt. Alles abseits der Zwillinge bleibt jedoch noch vage: Wonach suchen die Leute, die alle äußerst weitläufig mit den Mädchen verwandt sind (famille, clan)? Wer von ihnen ist skrupellos genug, andere für seine Ziele zu opfern, wer würde jenen, die sich in Gefahr befinden, beistehen? Wer zieht die Fäden und steht hinter den Anschlägen, die schon ein Leben kosteten? Geschickt und nach bewährter Manier (wie schon in „Das Buch der Schatten“) baut die Autorin ein Szenario auf, das zunächst nachvollziehbar und harmlos erscheint, schon bald jedoch immer mehr Gefahren enthüllt, die auf die Hauptfiguren lauern. Nicht jeder ist, was er vorgibt zu sein, so dass gute und böse Überraschungen vorprogrammiert sind. Winzige Andeutungen werden frühzeitig eingebaut, so dass erfahrene Leser die eine oder andere Entwicklung erahnen können und nichts deus ex machina überlassen wird. Natürlich darf eine bittersüße Romanze nicht fehlen. Hier mehr zu verraten, würde jedoch das Lesevergnügen schmälern.

Alles in allem ist „Ein Kelch voll Wind“ ein spannender Auftaktband, der neugierig auf die weiteren Folgen von Cate Tiernans „Hexenflammen“-Tetralogie macht. Leserinnen ab 14 Jahre können sich leicht in die Protagonistinnen hineinversetzen, mit ihnen lieben und leiden. Die fantastischen Elemente sorgen für unerwartete Wendungen und einen packenden Handlungsverlauf. Schätzt man Romane wie „House of Night“, „Vampie Academy“ oder „Vampire Diaries“, wird man auch von dieser Serie bestens unterhalten.