Noah 1: Wegen der Bosheit der Menschen (Comic)

Darren Aronofsky, Ari Handel
Noah 1
Wegen der Bosheit der Menschen
Aus dem Französischen von Uwe Löhmann
Titelillustration und Zeichnungen von Niko Henrichon
(Noe, Pour la cruauté des hommes, 2011)
Ehapa, 2012, Hardcover, 72 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7704-3598-2

Von Bernhard Kletzenbauer

Noah ist in der vorliegenden Comic-Geschichte ein bekannter und geachteter Magier, der mit seiner Frau und den Kindern fernab der Stadt lebt. Wegen der schon jahrelang vorherrschenden Dürre sehnen die Menschen den Regen herbei. Noah hat zunehmend Tagträume, Visionen und Albträume von Regenschauern, die innerhalb kürzester Zeit das Land meterhoch unter Wasser setzen.

Trotz der Warnung seiner Frau will Noah die anderen Menschen vor dem Zorn Gottes warnen. Mit einem seiner Kinder geht er nach Babylon, um auf dem Platz vor dem Turm zum Volk zu sprechen. Der boshafte Herrscher Babylons verspottet ihn und reitet mit Soldaten zum Grundstück des Magiers, um seinen Besitz dem Erdboden gleichzumachen. Noahs Frau und das zweite Kind überleben den Angriff; und gemeinsam brechen sie auf zum Berg Ararat, um Noahs Großvater zu besuchen.

Auf der erneuten Flucht vor den Söldnern aus Babylon kommen sie durch das Gebiet der Riesen. Sie erfahren, dass die sechsarmigen Riesen einst Engel im Paradies waren. Nach der Vertreibung von Adam und Eva beschlossen die Engel, dass sie den Menschen auf der Erde helfen werden. Doch Menschen und Engel kamen nicht in Frieden miteinander aus.

Auf dem Berg Ararat erhält Noah von seinem Großvater einen stacheligen Samen. An der Stelle, an der Noah den Samen im Boden eingräbt, schießt kurz darauf eine Wasserfontäne aus der Erde, und innerhalb von Minuten wächst ringsum ein Wald aus großen Bäumen in dem verdorrten Land.

Hier endet Teil 1 von 4. Die Bibel sagt aus, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde. Der Comic zeigt diese Ähnlichkeit. Adam und Eva sind genauso unfehlbar wie Gott und seine Schöpfung. Die Geschichte zeigt einerseits die Bosheit des Menschen gegenüber Seinesgleichen und gegenüber der Natur. Andererseits zeigt sie auch die Bosheit Gottes gegenüber allem Leben auf der Erde. Zwar erinnern die Namen und die Handlung an die Geschichte aus der Bibel, aber die Bilder zeigen fremdartige Schauplätze und Tiere. Es ist nicht eindeutig erkennbar, ob es sich um ein Endzeit-Szenario einer zukünftigen Erde handelt, oder ob man eine erdähnliche Parallelwelt vor sich hat. In der Landschaft sind Ruinen von sehr großen Gebäuden und Maschinen erkennbar, die es zu Zeiten des biblischen Noah gewiss noch nicht gab. Sind das etwa Zivilisations-Überreste von Weltraum-Siedlern, die in eine primitive Kultur zurückfielen? Oder wird man in späteren Ausgaben die Ruine der Freiheitsstatue oder des Eiffelturms vorfinden?

In den oft ganzseitig gezeigten Visionen der kommenden Flut wird den Lesern erschreckend drastisch ein nasses Massengrab voller verwesender Menschen- und Tierkörper vor Augen geführt. Anders als in von der Aussage her ähnlichen Comics („DMZ“) sind hier aber viele Szenen durchweg skizzenhaft und schludrig ausgeführt. Die gefallenen Engel und Noahs Großvater erinnern an einige groteske Figuren des Zeichners Moebius. Der Comic zeigt eine düstere Welt aus der Sicht des einsiedlerisch lebenden Noah. Die Verhältnisse in Babylon sieht der Leser nur kurz. In einer primitiven Gesellschaft ohne Wissenschaft ist es nicht verwunderlich, dass man an Magie und Götter glaubt. Oder ist es umgekehrt? In einer Welt, die fest in der Hand von Göttern und Engeln gefangen ist, kann sich keine Neugierde und Aufbruchstimmung entfalten. Band 1 (von 4) zeigt die Vorgeschichte: Noah hat sein Heimwerker-Material bekommen und schickt seinen Sohn los, um die Axt zu holen. Der weitere Verlauf ist bibelkundigen Lesern bekannt.

Die Zeichnungen und die glaubensdurchtränkte Handlung sind Geschmackssache. Eine bibelgetreue Auslegung aufgrund des Titels darf man nicht erwarten. Den Fantasy-Fans wird aber eine interessante Parallelwelt gezeigt, die irgendwann auch im Kino zu sehen sein soll.