Lois Duncan: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 10. Januar 2013 10:46
Lois Duncan
Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
(I Know What You Did Last Summer, 1978; überarbeitete Version, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Anja Galić
cbt, 2012, Taschenbuch, 256 Seiten, 7,99 EUR, ISBN 978-3-570-30769-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Im Rahmen des „Buffy“-Hypes kamen auch einige Filme mit Sarah Michelle Gellar in die Kinos beziehungsweise ins Fernsehen. Einer davon war „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ (in der Rolle der Helen Shivers, 1997), auf den noch zwei weniger erfolgreiche Sequels folgten. Die Romanvorlage stammt von Lois Duncan (verfasst 1973/1978, überarbeitet 2010).
Die Schülerin Julie hat ein Jahr lang hart gearbeitet und darf nun ein renommiertes College besuchen. Die Freude darüber wird jedoch von einem anonymen Brief überschattet, in dem lediglich eine Zeile steht: „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast.“ Verängstigt wendet sie sich an ihre Freundin Helen, die die Schule abgebrochen hat und erste Erfolge als TV-Sternchen feiert. Helen und ihr Freund Barry, ein Student, beruhigen Julie, denn bestimmt hat sich jemand bloß einen miesen Scherz erlaubt – vielleicht sogar Ray, Julies Ex, der wieder in der Stadt ist. Kurz darauf erhält Helen eine ähnliche Nachricht, und ein Unbekannter schießt auf Barry. Collie, der kürzlich in den Apartmentkomplex eingezogen ist, in dem Helen wohnt, kümmert sich rührend um seine geschockte Nachbarin. Julie findet unterdessen Trost bei Ray, der glaubt, es sei ein großer Fehler gewesen, sich getrennt zu haben, nachdem ein schlimmes Geschehnis das Leben der vier Jugendlichen aus der Bahn geworfen hatte. Ihr neuer Freund Bud will Julie dennoch nicht so schnell aufgeben.
Was passiert ist, wird nach gut fünfzig Seiten enthüllt, ein tragischer Unfall, wie er jedem passieren könnte, selbst wenn er nicht betrunken, bekifft und zu schnell mit dem Auto fährt: ein dunkel gekleideter Radfahrer (Fußgänger), der ohne Licht/Reflektoren unterwegs ist, und plötzlich aus dem Nichts, meist unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln, genau vor dem Auto auftaucht. Wer hat so etwas nicht schon wenigstens einmal erlebt, sich furchtbar erschrocken und gerade noch bremsen können?
Aber in dem Buch geht es nicht um das Fehlverhalten von Radfahrern und Fußgängern, die aus Unwissenheit oder Nachlässigkeit ihr Leben aufs Spiel setzen. Der ‚schwächere‘ Verkehrsteilnehmer ist das bedauernswerte Opfer, sein Tod zerstört das Glück einer ganzen Familie. Der Umstand, dass der Täter Fahrerflucht beging, spielt eher eine untergeordnete Rolle, denn die Hinterbliebenen würden so oder so an der Trauer zerbrechen.
Die Autorin konzentriert sich darum auch auf die Folgen, die die Tat für die beteiligten Jugendlichen hat. In kurzen Rückblenden wird geschildert, wie sie vorher leichtfertig ihren Vergnügungen nachgingen, wie sich ihr Leben ab dem schrecklichen Tag radikal änderte, dass sie auch ein Jahr später noch immer unter Schuldgefühlen leiden und diesen eminenten Fehler – der im Alkohol-/Drogenrausch begangene Unfall mit anschließender Fahrerflucht – nur zu gern ungeschehen machen würden: Julie wandelt sich von der strahlenden Cheerleaderin zu einer ernsthaften Streberin, die den Kontakt zu ihren Freunden abbricht und auf ein entfernt liegendes College gehen will, um vergessen zu können. Helen steht am Anfang einer glänzenden Karriere und denkt nur an ihr zukünftiges Glück – und an Barry. Dieser fuhr den Wagen; er weigert sich nach wie vor, sich zu dem Unfall zu bekennen, um sich nicht die Zukunft durch einen Gefängnisaufenthalt zu verbauen. Ray alarmierte damals anonym die Sanitäter und kehrt nach einer Auszeit in seine Heimatstadt zurück, weil ihm klar wurde, dass keiner von ihnen vor dieser Schuld fliehen kann. Dafür sorgt zudem jemand, dem es gelungen ist, die Jugendlichen aufzuspüren. Er will Rache, nicht nur weil sich die Vier der Verantwortung entzogen haben, sondern weil ein Leben genommen und weitere Leben zerstört wurden. Lange ahnen Julie, Helen, Barry und Ray nicht, wie groß die Gefahr ist, in der sie schweben – und dann nimmt sich der Unbekannte einen nach dem anderen von ihnen vor.
Die Geschichte ist relativ kurz und beschränkt sich aufs Wesentliche; die Autorin verfasste in den 1980er Jahren keinen Schwafel-Roman, wie sie dreißig Jahre später gang und gäbe sind. Wäre das Layout weniger großzügig, hätte das Buch nur den halben Umfang gehabt. Folglich liest man „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ in einem Rutsch durch, fühlt sich gut und spannend unterhalten, aber die Höhepunkte wirken nicht ganz so dramatisch wie in der Filminszenierung.
Alles in allem wird Lesern und Leserinnen ab 13 Jahre ein kurzweiliger, realistischer Krimi geboten, der, ginge es nicht in erster Linie um die Unterhaltung, nachdenklich stimmen und an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer appellieren könnte.