Jodi Picoult: Zeit der Gespenster (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 30. Dezember 2012 13:04
Jodi Picoult
Zeit der Gespenster
(Second Glance, 2003)
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Piper, 2010, Taschenbuch, 464 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-492-27190-5 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Ross Wakemann hat bei einem tragischen Autounfall seine über alles geliebte Frau Aimee verloren und wünscht sich sehnlichst, ihr folgen zu können. Aber was er auch unternimmt: Er überlebt alles! Darum versucht er, als ‚Geisterjäger‘ Kontakt zum Jenseits aufzunehmen und Aimees Geist zu finden. Statt ihrer begegnet er Cecelia Beaumont Pike und verliebt sich Hals über Kopf in die hübsche, junge Frau, die offenbar große Angst vor ihrem Mann hat. Die Erkenntnis, dass sie ein Geist ist, trifft ihn hart, nachdem er schon glaubte, jemand gefunden zu haben, für den es sich zu leben lohnt. Zusammen mit dem Cop Eli Rochert, der sich in Ross‘ Schwester Shelby verliebt hat, beginnt er Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, wer Lia und ihr Baby vor rund siebzig Jahren ermordet hat.
Die kurze Zusammenfassung lässt vermuten, dass es sich bei „Zeit der Gespenster“ um einen unterhaltsamen Mystery-Krimi handelt, dem einige romantische Momente hinzugefügt wurden. Was sich jedoch auf rund 450 Seiten abspielt, geht sehr viel tiefer, da der fiktiven Geschichte ein düsteres Kapitel der amerikanischen Geschichte zugrundeliegt. Näheres verraten das beigefügte Interview mit der Autorin, ihre Anmerkungen und eine Bibliografie mit weiterführenden Büchern.
Die Handlung springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Man lernt zunächst Ross, Shelby, ihren Sohn Ethan, Eli, die Genetikerin Meredith, ihre Tochter Lucy, Großmutter Ruby, den Indianer Az Thompson und etliche andere kennen. In kurzen Szenen erfährt man Näheres über ihre Geschichte, Beziehungen und Motive. In den Rückblenden wird Lias Hintergrund aufgerollt, wobei die Autorin ihre Figur selbst erzählen lässt. Das Bild ergänzt sich erst nach und nach, nicht zuletzt durch glückliche Fügungen bei der Recherche oder einen Fingerzeig der Geister, die jedoch nur wohldosiert eingesetzt werden und es dem Leser überlassen, sich selbst eine Meinung zu bilden, ob er an sie glauben möchte oder nicht. Natürlich ahnt man, dass die eingeführten Charaktere, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, letztlich gemeinsam des Rätsels Lösung finden und sich ihre persönlichen Probleme dadurch vielleicht zum Guten wenden werden.
Die Geschichte ist tatsächlich spannend geschrieben und bezieht ihren Reiz aus dem langsamen Aufbau und dem Aneinanderfügen der Puzzlestücke. Die Verknüpfung mit der realen amerikanischen Geschichte stellt dabei das Highlight dar: In Vermont (natürlich auch an anderen Orten beziehungsweise in anderen Ländern) agierte eine Gruppe Eugeniker, die Angehörige von anderen Nationalitäten und Ethnien zwangssterilisieren ließ, um die Reinheit der besser gestellten Amerikaner zu gewährleisten. Indianer, Protestanten, Sozialfälle, Straftäter etc. wurden in Anstalten gebracht, Familien auseinandergerissen, Frauen und Männer gegen ihren Willen, oft ohne es zu wissen, sterilisiert. Lias Tragödie steht im Zusammenhang mit diesen furchtbaren Geschehnissen.
In ihrem Interview verrät Jodi Picoult, dass sie ursprünglich ‚nur‘ eine Geistergeschichte hatte schreiben wollen, im Rahmen ihrer Nachforschungen auf dieses brisante Thema stieß und davon nicht mehr losgelassen wurde. Genauso ergeht es dem Leser, der sich schnell von „Zeit der Gespenster“ in den Bann ziehen lässt und der Auflösung gespannt entgegenfiebert.