Peter Straub: Okkult (Buch)

Peter Straub
Okkult
(A Dark Matter, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Ursula Gnade
Heyne, 2012, Taschenbuch, 560 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 979-3-453-43590-2

Von Armin Möhle

Mit „Okkult“ liegt nach „Schattenstimmen“ nach sechs Jahren wieder ein Roman des US-amerikanischen Horror-Autors Peter Straub vor. Straub ist durch eine Reihe von herausragenden Romanen im deutschen Sprachraum bekannt geworden, so durch „Wenn du wüsstest“, „Geisterstunde“, „Der Hauch des Drachen“, „Koko“, „Mystery“, „Mister X“ und andere mehr, die vor allem durch ihre eindringliche, bedrohliche Atmosphäre zu überzeugen wussten.

Mit seinen letzten zwei vor „Okkult“ erschienenen Romanen, „Haus der blinden Fenster“ und „Schattenstimmen“, enttäuschte der Autor aber stark: Mit den Plots plagiierte sich der Autor selbst, und die Romane waren deutlich dünner als bislang gewohnt, so dass Straub seine Vorzüge nicht zum Einsatz bringen konnte oder wollte. Mit einer gewissen Skepsis geht man also an die Lektüre von „Okkult“ heran. Der Umfang des Buches stimmte immerhin gedämpft optimistisch. Heutzutage ist der Umfang von Büchern offenbar vermeintlichen Markterwartungen geschuldet – und nicht mehr dem Inhalt. Doch bei Peter Straub war das bislang anders.

Der Schriftsteller Lee Harwell fasst den Entschluss, ein Ereignis zu ergründen, dass sich vor vierzig Jahren, gegen Ende seiner Highschool-Zeit, zugetragen hat. Er kann die Ungewissheit wohl nicht mehr ertragen (Dieser Kunstgriff sei dem Autor verziehen, weil es den Roman anderenfalls nicht gegeben hätte.) … Seinerzeit waren Harwells spätere Frau Lee, einige seiner Schulkameraden und zwei Studenten unter den Einfluss des Gurus Spencer Mallon geraten. Mallon war kein erfolgreicher Guru, was den Umfang seiner Anhängerschaft betrifft, doch sie genügte, um seine materiellen und sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie folgte ihm auch zu einem geheimnisvollen Ritual, das außer Kontrolle geriet, einen Studenten tötete, den zweiten verschwinden ließ und die Highschool-Schüler auf verschiedene Arten und Weisen versehrte. Lee Harwell nahm an dem Ritual nicht teil, da er Spencer Mallon für einen Scharlatan hielt. Er sucht die Überlebenden auf und lässt sich ihre Versionen der Ereignisse schildern. Den Schlusspunkt setzt seine Frau.

Peter Straub erzählt das Geschehen aus den Perspektiven der Teilnehmer des Rituals, die sich deutlich voneinander unterschieden, lässt ihre Lebensgeschichten, ihre aktuellen Lebensumstände und andere Nebenhandlungen einfließen (wie eine Krimihandlung, was für Straub typisch ist). Der Plot des Romans ist für erfahrene (Horror-) Leser sicherlich keine Überraschung, nämlich, dass jenes Ritual die Grenzen zwischen der Realwelt und dem Bösen aufriss. Das ist auch im Vergleich zu früheren Romanen des Autors nicht spektakulär. Straub nimmt sich jedoch viel Raum, um die Geschichten seiner Protagonisten (in doppelter Hinsicht, versteht sich) zu erzählen, die reizvoller sind als ihre unmittelbare Konfrontation mit einer Welt neben unserer, wobei Straub hin und wieder etwas zu weitschweifig wird. Alles in allem findet Straub dennoch zu seinen alten Stärken, zu authentischen, eindringlichen und dichten Beschreibungen zurück, die mit spannenden Geschehnissen verbunden werden.

„Okkult“ ist atmosphärisch dicht, der Rückblick auf vier Jahrzehnte sorgt für Detailreichtum und Vielseitigkeit. Wenn „Okkult“ als Comeback des Peter Straub konzipiert war, dann kann man nur sagen, dass es gelungen ist.