Paolo Mantegazza: Das Jahr 3000 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 30. Dezember 2012 12:55
Paolo Mantegazza
Das Jahr 3000
Mit einem Nachwort von Dr. Franz Rottensteiner
Verlag Dieter von Reeken, 2012, Paperback, 142 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-940679-67-3
Von Carsten Kuhr
Wir schreiben das Jahr 3000. Längst hat die Menschheit die Geißel des Krieges und der Nationalstaaten hinter sich gelassen, hat eine Weltregierung mit ihrer Hauptstadt am Fuße des Himalayas gebildet und der Religion abgeschworen. Statt nicht greifbaren Gottheiten zu huldigen, wird die Kraft der Elektrizität beschworen, die für Wohlstand und Sicherheit überall auf der Welt sorgt.
Wir begleiten Paul und Marie, die sich vor fünf Jahren in einer Liebesehe aneinander gebunden haben, bei ihrer Reise in die Hauptstadt. Zunächst an Bord ihres privaten Luftschiffes, später auf einem Luxusliner geht es über Ägypten und die bewässerte Sahara nach Ceylon, dann zur Welthauptstadt. Nur dort kann ein Ehepaar die Erlaubnis bekommen, Kinder zu zeugen. Auf dem Weg besuchen die Reisenden nicht nur Museen sondern auch Inseln, auf denen unterschiedlichste gesellschaftspolitische Systeme erprobt werden, sowie Kraftwerke und Forschungseinrichtungen.
Mit dem 1897 sowohl in seinem italienischen Mutterland als auch in einer deutschen Übersetzung erschienene Roman legt Dieter von Reeken einmal mehr eine bedeutende Zukunftsvision vor.
Im Verlauf der Reise besucht das Ehepaar nicht nur touristische Highlights, sondern bekommt ihre Welt auch immer wieder erklärt. Auffallend dabei, dass bei all den technischen wie politischen Ideen die aufgegriffen werden, die Menschen denkbar hölzern agieren. Dies mag auch daran liegen, dass Mantegazza kein Erzähler im herkömmlichen Sinne ist. Seine Figuren dienen ihm lediglich als undeutlich bleibende Aufhänger, an und mit denen er seine Zukunftsvisionen erläutert. So fehlt dem Roman ein wirkliches Handlungsgerüst, liest sich der Text als Aneinanderreihung möglicher Zukunftsvisionen.
Wie Dr. Franz Rottensteiner in seinem sehr informativen Nachwort ausführt, ist die angesprochene Euthanasie von missgebildeten Kindern und Menschen mit verbrecherischen Neigungen damals weit verbreitet gewesen, wirkt heute, auch angesichts der Gräueltaten der Nationalsozialisten, erschütternd, gerade in ihrer alltäglichen Abhandlung und Akzeptanz. Viele der angesprochenen Entwicklungen – Aufgabe des Nationalstaates, eine, die Menschheit führende geistige Elite, freiwillige Steuerzahlung nur durch die Reichen – lesen sich als eben das, als ein Utopie die eher befremdlich wirkt, ja unfreiwillig erheiternd, als wirklich inhaltlich überzeugend.
Als Zeitdokument interessant, jedoch mangels eine glaubwürdigen und den Leser packenden Rahmenhandlung ein leider eher zäh zu lesender Roman.