Tim Akers: Die Untoten von Veridon (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 15. Dezember 2012 10:55
Tim Akers
Die Untoten von Veridon
(Dead of Veridon)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Titelillustration von Luis Melo
Bastei Lübbe, 2012, Paperback, 334 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-404-20686-5 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Willkommen in Veridon, der Stadt am Reine. Hier leben, in den Tiefen des Flusses, die Fehn, von einem Virus wiederbelebte Tote, herrscht der Rat über die Stadt und beten die Menschen in der Kirche des Algorithmus’, in der die Erschaffer die Relikte, die den Fluss herunterkommen, zu einer gigantischen Maschine zusammenbauen. Tief im Inneren der Kirche halten die Erschaffer einen Engel gefangen, einen Boten, der nichts lieber tun würde, als Veridon zu vernichten.
Hier bin ich aufgewachsen, bin mit meinem Vater, der einer der Gründerfamilien Veridons entstammt, auf die Jagd gegangen, hier habe ich mein Implantat bekommen, das mich befähigen sollte, eines unserer Luftschiffe zu führen ,und hier habe ich zwei Abstürze eben jener Luftschiffe überlebt.
Einst war ich, nachdem ich mit meiner Familie gebrochen hatte, ein bezahlter Schläger und der Mann fürs Grobe von dem Mann, der die Unterwelt Veridons beherrscht. Eines Mannes, der die Bezeichnung Mann eigentlich nicht mehr verdient, besteht er doch nur noch aus Eisenteilen, in denen sein Geist eingeätzt ist. Nachdem er mich wie eine heiße Kartoffel hat fallenlassen, just als ich seine Unterstützung am meisten gebraucht hätte, habe ich mit ihm gebrochen. Nun nehme ich jeden Auftrag an; auch ich muss leben. Als ich den Fehn im Auftrag eines Mannes, der neu in der Stadt ist, eine Apparatur überbringe, beginnen sich die Geschehnisse zu überschlagen. Fehn sterben zu Hunderten, obwohl sie ja eigentlich bereits tot sind, die Erben der Ratsmitglieder werden nach und nach umgebracht, Menschen und Maschinen wandeln sich zu Bäumen, ein Bürgerkrieg droht meiner ungeliebten Heimat. Dass man mich missbraucht hat, erregt meinen Unbillen – nein, seien wir ehrlich, ich bin mächtig angepisst. Und so mache ich mich daran, meinen mysteriösen Auftraggeber aufzustöbern und zur Verantwortung zu ziehen; auch wenn ich dazu den Ratssitz meiner Familie einnehmen muss und gar ungewöhnliche Verbündete an Land ziehe…
Zum zweiten Mal entführt Tim Akers uns in eine der ungewöhnlichsten Schöpfungen der modernen Phantastik. Steampunk mischt sich hier mit einem urbanen Moloch, in dem alteingesessene Familien-Dynastien um Macht und Einfluss kämpfen. Dazu gesellen sich dann ganz eigene Geschöpfe: Zombie ähnliche im Fluss lebende Wesen, humanoide Insekten, Schöpfer, deren Fähigkeit uns magisch anmuten, die dabei aber nur eine sehr fortschrittliche Technik verwenden, und jede Menge Geheimnisse.
In einem betont und von Michael Krug vorzüglich ins Deutsche übertragenen saloppen Tonfall berichtet unser Erzähler von den Geschehnissen. Dabei überrascht er erneut mit so noch nicht gelesenen Ideen und Schöpfungen, verwirrt die Leser zunächst mit Hinweisen, die sich erst später in ein sinnvolles Bild fügen, und besticht durch rasante Action, packende Kämpfe und Geheimnissen satt.
Erneut stellt er mit Jacob Burn einen Erzähler in den Mittelpunkt seiner Handlung, der Höhen und Tiefen erlebt hat, der aus einer alteingesessenen Familie stammt und daher die Stadt kennt wie kaum ein Zweiter. Er hat sowohl die prächtigen Villen der Reichen besucht, sich bei Bällen vergnügt, aber auch die Elendsviertel und Kloaken der Stadt mehr oder minder freiwillig erkundet. So ermöglicht er uns einen sehr intimen Blick auf das Innenleben der Metropole, die mich von der Ausführung her ein wenig an die Schöpfungen eines China Miéville erinnerte. Dazu kommt, dass er, obwohl sicherlich kein einfacher Charakter, eigentlich ein Mann ist, dem böse mitgespielt wurde, der aber dennoch versucht, integer nach seinen ethischen Maßstäben zu agieren. Dass er dabei immer wieder fremdbestimmt wird, dass Mächte, auf die er keinen Einfluss hat, die ihm weit überlegen sind, ihn gebrauchen und missbrauchen, muss er fast hilflos über sich ergehen lassen. Dennoch, und das ist es, was ihn für den Leser so interessant macht, resigniert er nicht, versucht ganz bewusst selbst einzugreifen, auch wenn dies bedeutet, dass er selbst unter den Folgen zu leiden hat. Das ist wahres Heldentum, wirkt nicht etwa aufgesetzt oder kitschig, sondern in sich überzeugend.
Insoweit eine gelungene Fortsetzung eines faszinierenden Erstlingsromans, die Appetit auf mehr weckt.