Sang Royal 2: Schuld und Sühne (Comic)

Sang Royal 2
Schuld und Sühne
(Sang Royal – tome 2: Crime et Châtiment, 2011)
Szenario: Alejandro Jodorowsky
Artwork: Dongzi Liu
Übersetzung: Marcel Le Comte
Ehapa, 2011, Hardcover, 56 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3525-7

Von Frank Drehmel

Mit „Schuld und Sühne“ findet eine Geschichte ihre Fortsetzung und ihr Ende, die schon im ersten Band an großen Dramen und Tragödien der Literatur erinnerte, die nun jedoch bei allem klassischen Anklang in einer Orgie von Gewalt mündet, gegen die Shakespeares „Titus Andronicus“ beinahe ein Kindermärchen ist.

Violena und ihr sadistischer Sohn planen eine brutale Rache an dem Mann – König Alvar –, der Rador die Zunge herausschneiden ließ und der seinen Cousin, Violenas zweiten Ehemann, tötete. Sie locken den Herrscher fort und entführen dessen Ehefrau, Sambra, die zugleich seine Tochter ist, um sie entsetzlich zu verstümmeln, indem der grausame Rador ihr Nase und Brüste abschneidet.

Kaum ist Alvar auf seine Burg zurückgekehrt, erwartet ihn seine entstellte Tochter und Gemahlin; doch anstatt sich entsetzt abzuwenden, lodert seine Liebe stärker als zuvor, und anstatt die beiden Drahtzieher hinzurichten, dankt er ab und überlässt Violena und Rador sein Reich, um in der Wildnis gemeinsam mit Sambra ein einsames Leben als Jäger zu führen. Mit der Zeit erlischt die Leidenschaft des Liebespaares und Sambra beschließt, ihr Lager nicht länger mit ihrem Gemahl zu teilen, sondern hofft, dass in ihm nun die Zärtlichkeit eines Vaters für sein Kind erwacht. Alvar akzeptiert diesen Wunsch, bittet die Tochter noch um einen letzten Liebesakt, nach dessen Vollendung er sich selbst entmannt. Während der ehemalige König in ihrem gemeinsamen Lager genest, begibt sich die junge Frau auf die Jagd, wo sie den blinden Schäferjungen Florian wieder trifft, dem sie sich sogleich hingibt. Obgleich Alvar auf der Suche nach Sambra die beiden in flagranti erwischt, verschont er trotz unbändiger Eifersucht den Jungen auf Flehen seiner Tochter.

Unterdessen erleiden Violena und Rador im Schloss das Schicksal, das sie verdienen: als immer mehr junge Mädchen ermordet und verstümmelt aufgefunden werden, verdächtigt das gemeine Volk sofort den sadistischen Rador, und als sich eine Zeuge findet, der dessen Grausamkeiten bezeugen kann, richtet man die Thronräuber hin. Die nun herrscherlosen Untertanen wenden sich an Alvar, dessen Ehrgeiz und Machtwille mittlerweile zurückgekehrt sind. Bevor er jedoch erneut den Thron besteigen kann, muss er ein Heer ausheben, um die Gefolgsleute der alten Königin zu vernichten.

Mit seinem Ausmaß expliziter Grausamkeiten und Gewalt ist dieses zweite Album für zart besaitete Leser sicherlich noch schwerer verdaulich als der schon brutale erste Band. Auf der anderen Seite ist die Wucht der Geschichte, mit der Autor Jodorowsky einen geradezu überrollt, beeindruckend, gelingt es ihm doch, die Emotionalität und die Konflikte großer Dramen und Tragödien in vergleichsweise wenigen Szenen und Dialogen auf geradezu engem Raum auf den Punkt zu bringen, ohne dass das Ganze allzu plakativ und vordergründig wirkt. Sicherlich kommen die psychoanalytischen Aspekte zu kurz, werden Beweggründe stark verkürzt und Entwicklungen manchmal zu sehr forciert, aber der Autor ist immer nahe genug bei den Figuren, damit der Leser verstehen kann, worauf er hinaus will.

Nach wie vor überragend ist das malerische Artwork Dongzi Lius, der nicht nur Figuren, Hintergründe und Panoramen visuell lebendig und markant in Szene setzt, sondern der auch eine eigentümlich düstere Atmosphäre generiert, indem er – abgesehen von den dunklen Farben – die Figuren vornehmlich in einer Art diffusen Gegenlicht in weichem Halbschatten abbildet.

Fazit: Klassisch-tragisch, kraftvoll, verstörend brutal geschrieben und absolut brillant visualisiert. Ein echtes Highlight für weniger zart Besaitete.