Limit 1 (Comic)

Keiko Suenobu
Limit 1
Aus dem Japanischen von Claudia Peter
EMA, 2012, Taschenbuch, 188 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-7704-7873-6

Von Irene Salzmann

Keiko Suenobu wurde am 23. März 1979 in Kitakyushu in der Präfektur Fukuoka geboren. Seit 2001 zeichnet sie Mangas. In Deutschland kennt man sie durch den Oneshot „Vitamin“, ein Psycho-Drama um eine Schülerin, die zum Mobbing-Opfer wird. „Limit“ greift in sechs Teilen ein ganz ähnliches Thema auf.

Konno besucht die Oberschule und hat bloß einen Wunsch: beliebt zu sein und keinen Fehler zu begehen, durch den sie zur Außenseiterin werden könnte. Schon einmal machte sie diese unschöne Erfahrung. In Folge wendet sie sich ab, wenn andere Hilfe benötigen, sei es der Mann, der auf dem Boden liegt, sei es ihre Mitschülerin Morishige, die von Konnos Clique gemobbt wird.

Auf dem Weg in ein Camp verunglückt der Bus, und fast alle Schüler sterben. Konno, ihre Freundin Ichinose, die verletzte Usui, die pragmatische Kamiya und Morishige sind die einzigen Überlebenden. Da der Bus einen Abhang hinunterstürzte, gehen die Mädchen davon aus, dass es eine Weile dauern wird, bis man sie findet. Um zu überleben plündern sie die Leichen und richten sich in einer Höhle ein. Der unglückliche Zufall spielt Morishige eine Sichel in die Hände, woraufhin sie die Verhältnisse umkehrt und sich zur Anführerin macht, die die anderen schikaniert. Usui ist zu verängstigt, um aufzubegehren. Kamiya unterwirft sich, um Morishige nicht zu provozieren. Diese wiederum spielt Konno und Ichinose gegeneinander aus, sehr wohl wissend, dass Letztere immer eifersüchtig auf ihre Freundin war. Ein Kampf soll über die Hackordnung entscheiden: Wer verliert, wird der Sklave der anderen und bekommt nichts von den wenigen Lebensmitteln…

Hat man „Vitamin“ gelesen, weiß man, dass Keiko Suenobu nichts verharmlost, sondern die hässlichsten Seiten der Menschen beschreibt, die unter Extremsituationen hervorbrechen. Wie verschieden die Verhaltensweisen sein können, veranschaulicht sie an mehreren Schülerinnen: Konno und Ichinose gehörten zu einer Clique, die die Regeln vorgab. Wer nicht in ihren Kreis Aufnahme fand, wurde ignoriert oder – in Morishiges Fall – gemobbt. Obwohl Konno wusste, dass nicht alles richtig ist, was sie und die anderen taten, wählte sie den einfachsten Weg, ließ sich treiben und machte mit, um nicht selber ein weiteres Mal isoliert zu werden. Der Unfall verändert alles. Die heile Welt von Konno, der Hauptfigur, wird zerstört. Ihre Freundinnen sterben, und Ichinose enthüllt, dass sie Konno nie als Freundin betrachtet hatte. Von Usui und Kamiya kann sie ebenfalls keine Rückendeckung erwarten: Usui sucht den Schutz der Stärksten in der Gruppe, und Kamiya befürchtet, dass Morishige die Sichel benutzen und töten wird, sobald jemand ihren Status infrage stellt.

Anfangs hatte man durchaus Mitleid mit Morishige, über die ständig hergezogen, die regelrecht in die Ecke gedrängt wurde, obwohl sie nichts gemacht hatte, um Konnos Clique zu verärgern. Das ist gerade das Schlimme am Mobbing: Es gibt keinen Grund – außer dem, dass jemand die Macht hat, einen anderen zu schikanieren und es auch nur darum tut. Nun ist Morishige diejenige, die Macht ausübt und die anderen Mädchen, insbesondere Ichinose und Konno, mit Genuss quält. Aber nicht nur dadurch verliert sie jegliche Sympathien, die man ihr als Leser entgegengebracht hat, sondern auch wegen ihrem krankhaften Hass, ihrer Freude über den Tod der Mitschüler und Begleitpersonen.

Dass Morishige an das Tarot-Orakel und an einen Gott glaubt, der das alles bewirkte, der ihre Peiniger strafte und ihr endlich die Möglichkeit gibt, sich zu rächen, weist darauf hin, dass sie wirklich psychisch krank ist. Kamiya hat das als einzige erkannt und für sich die Konsequenz gezogen, sich nicht mit Morishige anzulegen. Sie warnt die anderen, insbesondere Konno, auf die es Morishige abgesehen hat, aber letztlich geht es ihr vor allem um das eigene Überleben.

Der Manga endet mit einem Cliffhanger: Konno und Ichinose stehen sich als Feindinnen gegenüber, und Letztere benutzt einen angespitzten Stock als Waffe. Morishiges böser Plan scheint aufzugehen…

Keiko Suenobu bedient sich eines klaren Stils, der die Protagonisten fast puppenhaft hübsch aussehen lässt. Auf den ersten Blick hin glaubt man, eine der typischen Serien, die Schüler-Intrigen thematisieren, in Händen zu halten, doch schnell entwickelt sich die Handlung zu einem dramatischen Psycho-Thriller, der durch die ansprechenden Zeichnungen noch böser wirkt.

„Limit“ wendet sich an eine reifere Leserschaft, die realistisch inszenierte Geschichten und unbequeme Themen schätzt. Ist man begeistert von Titeln wie „Doubt“, „A Lollipop or A Bullet“ oder „Monster“, wird man gespannt auf die weiteren Bände warten.