Miéville: China: König Ratte (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 07. November 2009 00:00
China Miéville
König Ratte
(King Rat, 1998)
Aus dem Englischen von Eva Bauche-Eppers
Titelgestaltung von QuadroGrafik, Bensberg unter Verwendung einer Illustration von Michael Whelan/Agentur Schlück GmbH
Bastei-Lübbe, 2002, Taschenbuch, 460 Seiten, 7,90 EUR, ISBN 978-3-404-24310-5
Von Birgit Scherpe
Als Saul Garamond ins Gefängnis geworfen wird, weil man ihn beschuldigt, seinen Vater ermordet zu haben, versteht er die Welt nicht mehr. Doch während er noch versucht zu begreifen, was passiert ist, erscheint plötzlich eine seltsame Gestalt in seiner Gefängniszelle, ein zerlumpter stinkender Kerl, der sich selbst ›King Rat‹ nennt und verspricht, ihm zu helfen, etwas über den Tod seines Vaters und über sich selbst herauszufinden. Um Antworten zu bekommen, willigt Saul ein, mit ihm zu fliehen. Zu seiner Verblüffung schafft der Fremde es mühelos, ihn an den Polizisten vorbeizuschmuggeln und ihn eine scheinbar glatte Mauer hinaufzutragen, um über die Dächer der Stadt London zu entkommen.
Nach seinen seltsamen Fähigkeiten gefragt, erklärt ihm King Rat, dass er der König aller Ratten, dass Saul sein Neffe und damit ebenfalls eine Ratte sei. Zunächst hält Saul ihn für verrückt, doch schnell lernt er seine neu erwachten Fähigkeiten als Ratte kennen und zu schätzen.
Doch es gibt ein Problem: Es gibt einen Feind, der ihn erbarmungslos jagt und auslöschen will: der Pfeifer, der Rattenfänger, der jede Ratte, jedes Getier und jeden Menschen nach seiner Flöte tanzen lassen kann. Und nur Saul, der halb Mensch und halb Ratte ist, kann sich ihm widersetzen. Aus diesem Grund ist er ein wichtiges Rädchen in King Rats Plan zur Vernichtung des Rattenfängers. Doch so einfach will sich Saul nicht einspannen und benutzen lassen …
»King Rat« ist der erste Roman des englischen Autors China Miéville, ein grandioses Urban-Fantasy-Debut, das es schafft, die alte Kindergeschichte des »Rattenfängers von Hameln« zu entstauben und in die Neuzeit zu führen. Es ist ein Märchen für Erwachsene und gleichzeitig auch eine Geschichte vom Erwachsenwerden. Es erzählt die Wandlung eines Menschen, der mit seiner Herkunft und seiner Vergangenheit konfrontiert wird und lernen muss, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und seine eigenen Wege zu gehen. Saul Garamond macht im Laufe der Geschichte eine Wandlung vom unentschlossenen Mitläufer zum Individuum durch; und so andersartig und schmutzig er auch ist, schafft er es dennoch, den Leser zu faszinieren und auf seine Seite zu ziehen.
China Miévilles Erzählstil ist flüssig und wortgewaltig, mit üppigen, ausladenden Sätzen, die der fantastischen Geschichte eine zusätzliche Tiefe verleihen. Vor allem seine ausgiebigen Beschreibungen lassen sowohl die Story als auch die Charaktere sehr lebendig und detailreich rüberkommen.
Ein großes Lob an dieser Stelle an die Übersetzerin Eva Bauche-Eppers, die mit sehr viel Sorgfalt die Geschichte selbst und vor allem auch die Gaunersprache von King Rat und den karibischen Dialekt Anansis übersetzt und dafür gesorgt hat, dass kein Detail der Besonderheit der Charaktere verloren gegangen ist und sich alles harmonisch zusammenfügt.
»König Ratte« ist ein faszinierender und origineller Fantasy-Roman, den man, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen kann. Unbedingt empfehlenswert!