Sylke Brandt: Rogdon Blitz (Buch)

Sylke Brandt
Rogdon Blitz
Titelillustration von R. S. Lonati
VPH, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, Titelillustration von R. S. Lonati, 146 Seiten, 11,90 EUR, ISBN 978-3-86305-056-6

Von Carsten Kuhr

Als Reporter bei einer Provinz-Zeitung zu arbeiten ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Die Feiern und Jubilare der örtlichen Vereine gilt es zu würdigen, vielleicht gar einmal den Bürgermeister auf eine Eröffnung zu begleiten; das ist es dann aber auch im Wesentlichen mit den außergewöhnlichen Reportagen. Nicht eben das, was man unter prestigeträchtig oder preiswürdig einordnen würde. Rogdon Blitz hat sich mit seinem Job abgefunden. Als er dann im neu ausgewiesenen Industriegebiet die erste Ansiedlung einer Firma dokumentieren soll, passiert ein Unglück. Die rätselhaften Maschinen, die eine rote Energie emittieren, werden vom Blitz getroffen; als Rogdon wieder zu sich kommt, befindet er sich in einer anderen Welt.

Parkvale, eine, nein die Vorzeigestadt des neuen Deutschlands, kommt Rogdon vor, wie der Wunschtraum eines etwas zurückgebliebenen Science-Fiction-Autors der 50er Jahre. Es gibt keine Handys, keine Computer und auch die Miniaturisierung hat nicht stattgefunden. Sattdessen aber schweben Fahrzeuge über die Straßen, schwingen sich waghalsige architektonische Trassen in die Lüfte und erledigen Roboter die Hausarbeit. Dass er schnell Anschluss findet und bei der bezaubernden Krankenschwester, die sich so liebevoll um ihn kümmert, Unterschlupf finde,t hindert seinen Spürsinn nicht daran, Alarm zu schlagen – irgendetwas ist faul im Staate Dänemark. Wer hat ihn im Krankenhaus abgeliefert, wo sind seine Sachen geblieben und was nur versucht die amerikanische Besatzungsmacht zu verbergen?

In der Reihe „Retro SF“ veröffentlicht VPH Romane mit dem, wie es der Verleger so schön formuliert hat, „Flair der goldenen Ära der SF“. Wer nun aber meint, gigantische Kampfverbände durchstarten zu sehen oder Weltraumschlachten geboten zu bekommen, der wird – glücklicherweise – enttäuscht werden. Stattdessen entführt uns Sylke Brandt, die unter anderem von der SF-Serie „Rettungskreuzer Ikarus“ bekannt ist, in eine nostalgische Welt.

Die 50er Jahre standen Pate, als sie sich ihr Paralleluniversum einfallen ließ. Wie hat man sich damals, in der guten alten Zeit nach dem Krieg, die Zukunft nicht in bunten Farben ausgemalt. Überall würden Fahrzeuge flüsterleise über die Fahrbahnen schweben, Gleiter die Lüfte beherrschen und Roboter, natürlich unter Aufsicht der patenten Hausfrau, die Arbeit in Heim und Garten erledigen. In eine solche Welt entführt uns die Autorin.

Dass hier nicht alles so sauber und ordentlich ist, wie der erste Eindruck von Parkvale vermuten lässt, kommt erst später heraus. Zunächst betrachten wir durch die Augen unseres aufgeweckten Journalisten diese fast steril wirkende Sauberwelt. Später bekommt dann der wunderbare Anstrich erste Risse. Es gibt Viertel der Stadt, in denen das Verbrechen blüht, die Regierung hat einen US-amerikanischen Berater, Otto-Normalverbraucher außerhalb Parkvales muss mit normalen PKW, kreischenden Bahnen oder zu Fuß zur Arbeit gehen. Eine Zweiklassengesellschaft wird hier angedeutet, die zudem noch unter dem Diktat einer fremden Macht steht. Das hat viel nostalgisches Flair, aber auch jede Menge Tempo und Spannung. Dass die Handlung in sich nicht wirklich abgeschlossen ist, dass Rätsel offenbleiben, lässt der Vermutung Raum, dass mit diesem Band lediglich der Auftakt einer kleinen Reihe vorliegt.

Wer Gefallen an der SF der guten alten Zeit abseits der donnernden Geschützbatterien sucht, der wird hier gut unterhalten.