Radek Knapp: Reise nach Kalino (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 14. September 2012 11:09
Radek Knapp
Reise nach Kalino
Umschlagabbildung und -gestaltung: Cornelia Niere
Piper, 2012, Hardcover, 256 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-492-05472-0
Von Gunther Barnewald
Julius Werkazy ist ein altmodischer Mensch, der seinem Angestellten in seiner Detektivagentur die technischen Seiten und die Recherchen der Ermittlungen überlässt, da er für die eigentlich Arbeit zuständig zu sein glaubt, also für das Grobe. Zudem ist der Privatdetektiv nicht gerade besonders erfolgreich oder renommiert, hat Probleme mit dem Alkohol (oder vielleicht doch eher ohne) und wirkt zudem äußerlich nicht gerade wie ein gestylter, muskelbepackter Dressman, eher im Gegenteil. Also eine von Grund auf sympathische Figur. Umso größer ist seine Überraschung, als ausgerechnet der reiche und mächtige F. Osmos sich an ihn wendet und ihn mit der Lösung eines mysteriösen Mordfalls beauftragt.
Denn Osmos ist eine Art von Besitzer, Gott und oberster Repräsentant eines futuristischen Kleinstaats namens Kalino, der von seiner Umwelt völlig abgeschottet existiert. Hier lenkt er das Schicksal von 2344 scheinbar perfekten Menschen, den sogenannten Kalinianern. Gleich bei seiner Ankunft erfährt Werkazy, dass angeblich nur die wenigen Außenstehenden als Mörder in Frage kommen, die in Kalino arbeiten und Osmos helfen, alle Dinge dort perfekt zu lenken. Diese Menschen werden von den Kalinianern abschätzig, wegen der Falten in ihren Gesichtern, „Papiergesichter“ genannt, denn die Bewohner der futuristischen Zone scheinen nicht zu altern.
So ermittelt der anfangs ahnungslose aber keineswegs naive Werkazy bald unter den „Papiergesichtern“ und lernt dabei auch die seltsamen Gebräuche und Gewohnheiten des fremden Staates kennen, bis er auf eine gigantische Verschwörung stößt, die nicht nur sein Leben akut gefährdet...
Wer „Reise nach Kalino“ liest, der findet, wie im Klappentext versprochen, tatsächlich einen „auf einnehmende Weise altmodischen Detektivroman“, der wirklich eine eigene Art von Magie auszustrahlen scheint. Die herrlich schräge Hauptfigur (nicht nur in angetrunkenem Zustand), der seltsame Optimierungsstaat mit seinen androidenhaft wirkenden Bewohnern (die aber keine sind) und der vermutliche Mordfall an einem „Papiergesicht“, der nicht so recht erklärbar scheint, dies alles trägt erheblich zum hohen Lesevergnügen des Buchs bei. Dazu kommt, dass der Autor es schafft, seine äußerst unterhaltsame Geschichte auf nur fast 250 Seiten knapp und knackig zu erzählen (heißt der Autor vielleicht deshalb Knapp?), einer Länge also, die mancher Fantasy-Autor einer Kurzgeschichte zuordnen würde.
Der Autor spart sich jedweden Firlefanz, kommt schnell zur Sache und ratzfatz findet sich der sympathische Privatschnüffler in einem scheinbar durchgeregelten Zukunftsstaat wieder, der den Leser einerseits fasziniert, andererseits aber eine Gänsehaut über den Rücken laufen lässt. Schnell weiß man nicht mehr, was interessanter und spannender ist: die Ermittlungen in dem mysteriösen Verbrechen ohne rechtes Motiv, oder die frappierende Welt, die der Autor hier skizziert. Dabei fällt Radek Knapp wirklich viel ein, seine Ideen können sich wahrlich sehen lassen. Deshalb ist es kein Wunder, sollte man das herrliche Buch in einem Zug verschlingen und sich über jede neue Entdeckung und jede Wendung freuen.
Bleibt zu hoffen, dass der pfiffige Detektiv noch mal wiederkehrt, vielleicht wieder in einem futuristischen Fall ermittelnd, und dies alles wieder so knackig und knapp (ja, ja, so heißt der Autor wirklich!), dass sich andere Autoren fragen lassen müssen, warum sie für ihre ideenlosen Hervorbringungen eigentlich immer so viele hundert Seiten benötigen.