Die Minimenschen Maxiausgabe 10 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 02. Juni 2012 12:13
Die Minimenschen Maxiausgabe 10
Artwork: Pierre Seron
Szenarien: Pierre Seron
Übersetzung: Eckart Schott
Ehapa, 2011, Hardcover, 144 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3396-4
Von Frank Drehmel
Nach einer qualvollen Zeit des Darbens und des Wartens auf unterhaltsame, originelle, – kurz und gut: gelungene, Geschichten beginnt die letzte Dekade des vergangenen Jahrtausends mit einer Story, in der Seron schon zu Grabe getragen geglaubte Qualitäten an den Tag legt und die nach seinen öden und drögen Elaboraten der späten 80er an gute alte Zeiten erinnert.
In „Gefangen in Zeit und Raum“ („Voyage entre deux mondes“) spielt einmal mehr die futuristische Technik alten Bekannten aus dem zeitlosen Tal eine fatale Rolle. Während Lätztänfreitach und seine Kollegen Mutter Erde einen Besuch abstatten, gelingt den beiden einzigen Gefangenen des eslapion’schen Knastes – Rolf und Arnold – die Flucht aus ihrem tristen Alltag. Da Renaud sofort eine Groß- und Rasterfahndung einleitet, können sie zwar nicht die Gegend verlassen, aber – nachdem sie Cedille gekidnapped haben – das Raumfahrzeug der Ranxeroxianer in ihre Gewalt bringen. Beim Versuch die Maschinen zu starten passiert ein folgenschweres Missgeschick, das Rolf, Arnold und Cedille quasi aus dem normalen Raumzeitgefüge schleudert. Auch wenn sie noch in der Lage sind, mit den übrigen Minimenschen zu kommunizieren, befinden sie sich körperlich auf einer anderen Zeitebene, in einer Welt, die so ganz anders aussah/aussieht, als das Eslapion, das sie kennen.
Was sich vielversprechend chaotisch anhört, wird von Seron erfreulicherweise auch ganz genau so umgesetzt. Dadurch, dass sich der Leser visuell quasi immer auf einer Zeitebene befindet, die Figuren der anderen Ebene(n) jedoch in den Bildern auftauchen, entsteht ein Vielzahl lustiger und skurriler Situationen: Menschen wandern durch Wände, liegen in der Luft, gehen imaginäre Treppen hoch oder erschrecken sich angesichts unsichtbarer Gefahren. Dass man bei dem Ganzen Logik und Plausibilität nicht hinterfragen darf, versteht sich von selbst, sodass das volle Vergnügen nur dem zuteil wird, der hirnlos genießen kann.
So unterhaltsam und originell die erste Story, so langweilig und Geschichte Nummer Zwei, „K + K = Krieg“ („C + C = Boum“), in der zwei überlebende Klone Renauds ihr verbrecherisches Genie in einer Art Raubzug-Wettstreit von ihnen entwickelter beziehungsweise beherrschter Automaten unter Beweis stellen wollen. Dabei stehen regelmäßig die Fähigkeiten ihrer Handlager ihrem Erfolg mal mehr, mal weniger im Weg; und als dann noch ein dritter Renaud auftaucht, wird das Ganze erst recht unübersichtlich.
Eine vollkommen zerfahrene Story, der jeglicher Flow und innerer Zusammenhalt fehlt, ein unorigineller Plot sowie schwache, lahme Zeichnungen ohne zündende Ideen – allein die visuelle Unterscheidung der Automaten und der Klone nach „Tick, Trick und Track“-Manier hat einen ellenlangen Bart – machen das Verdauen der Geschichte zu emotionaler Schwerstarbeit.
„Die vermissten Missen“ („Les Catherinettes“) bietet wiederum ein versöhnlicheres Ende, als es „K + K = Krieg“ befürchten ließ: die Minimenschen suchen zwar nicht Eslapions Super-Model, aber immerhin das Mädchen mit der schönsten Kopfbedeckung. Als Preis winken der Titel „Minimiss“ sowie die Erfüllung eines Wunschtraums. Bedauerlicherweise besteht der Wunsch der diesjährigen Siegerin – Lise – darin, zusammen mit den anderen Teilnehmerinnen des Contests Urlaub in der Welt der Großen zu machen. Da das jedoch die Gemeinde in tödliche Gefahr bringen könnte, wird der Wunsch insbesondere – aber nicht nur – von Renaud vehement ausgeschlagen. Nicht nur, dass das ein Bruch mit alten Traditionen darstellt, für Lise und ihre Mitstreiterinnen stellt die Weigerung der ganzen Männer-Bagage eine Herausforderung dar, ihren Wunsch und Willen dennoch durchzusetzen. So schleichen sich die „Misses“ heimlich aus Eslapion und landen in einer viel zu großen, gefährlichen Umgebung, in der Typen wie Baron von Habsgut ihr Unwesen treiben, Typen, die freundlich tun bevor sie einem bildlich das Messer in den Rücken rammen.
Auch wenn diese Story vor unverhohlenem männlichen Chauvinismus nur so strotzt und die „Misses“ kaum mehr als großbrüstige, glubschäugige Sexobjekte sind, verschlagen genug, um die Männer kurzfristig über den Tisch zu ziehen, zu dämlich allerdings, um auf sich selbst aufzupassen, so ist die Handlung dennoch vergleichsweise spannend, locker und charmant inszeniert und weist den Fluss auf, der der zweiten Geschichte vollkommen fehlt.
Fazit: Sowohl inhaltlich, als auch grafisch durchwachsen. An eine in grafischer wie auch inhaltlicher Hinsicht wirklich originelle Story schließen sich ein Totalausfall und eine immerhin noch gefällige Geschichte an. Dennoch: die großen Zeiten der Minimenschen scheinen passé.