Alison Sinclair: Nachtgeboren (Buch)

Alison Sinclair
Nachtgeboren
(Darkborn)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michaela Link
Titelillustration von Isabelle Hirtz
Lyx, 2011, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 408 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8335-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Seit ein Fluch die Bevölkerung in Licht- und Nachtgeborene trennte, leben beide Spezies in der Stadt Minhorne in relativ friedlicher Koexistenz nebeneinander. Je nach Tageszeit sind die einen oder anderen auf den Straßen unterwegs, denn das Licht ist für die Nachtgeborenen, die Dunkelheit für die Lichtgeborenen tödlich.

Der nachtgeborene Arzt Balthasar Hearne wird aus seinem beschaulichen Alltag gerissen, als die hochschwangere Tercelle Amberley um Einlass bittet, just als die Glocke den Morgen verkündet. Notgedrungen lässt er sie ins Haus und hilft ihr, die Zwillinge eines lichtgeborenen Liebhabers zur Welt zu bringen und die Kinder, die überraschenderweise sehen können, zu verstecken, denn käme das Geheimnis an die Öffentlichkeit, würde sich ihr Verlobter von Tercelle abwenden.

Seine Hilfeleistung bringt Balthasar kein Glück. Unbekannte prügeln ihn fast zu Tode, als er sich weigert, Tercelle zu verraten. Das Eintreffen von Balthasars Frau Telmaine und des Schattenjägers Ishmael di Studier verhindern das Schlimmste. Dank der Magie der beiden kann Balthasars Leben gerettet werden, doch die Unbekannten entführen eine der kleinen Töchter des Paares. Da sie sich an niemand anderen wenden kann, bittet Telmaine Ishmael, ihr zu helfen, Florilinde zu finden und zu befreien.

Alle, die in diese Angelegenheit von noch unbekanntem Ausmaß hineingezogen werden, sind gezwungen, Opfer zu bringen: Telmaine muss sich dazu bekennen, dass sie eine der ungeliebten Magier ist und schnellstens von Ishmael das Notwendige erlernen, will sie ihre Angehörigen beschützen. Ishmael begreift spät, dass die Geschehnisse mit seinem Auftrag in Zusammenhang stehen und man ihn aus dem Weg räumen will, weil er zu viel weiß und zu gefährlich ist. Balthasar kann Ishmael nicht so unterstützen, wie er möchte, denn einer der Entführer enthüllt seine Identität und droht, Florilinde qualvoll zu töten.

Das eigentliche Ziel der Feinde ist jedoch Fürst Vladimer, der Halbbruder des Erzherzogs und der mächtigste Mann in Minhorne. Stirbt er, könnte das einen Keil zwischen die Nachtgeborenen und die Lichtgeborenen treiben und ihrem fragilen Miteinander ein jähes Ende bereiten.

„Nachtgeboren“ ist der erste Band einer Fantasy-Trilogie, die mit den Romanen „Lichtgeboren“ und „Schattengeboren“ fortgesetzt beziehungsweise abgeschlossen wird.

Alison Sinclair hat eine Steampunk-Welt geschaffen, in der langsam der Fortschritt Einzug hält, in der jedoch auch Magie, die von der Hälfte der Bewohner Minhornes abgelehnt wird, allgegenwärtig ist. Interessant sind die beiden Spezies, die sich die Stadt teilen: Die Nachtgeborenen, die die Hauptfiguren des vorliegenden Buchs stellen, leben in der ständigen Angst, durch einen Lichtstrahl getötet zu werden. Sie befassen sich mit Technik und verabscheuen Magie. Ganz anders die Lichtgeborenen, die das Dunkle meiden müssen und für die Magie eine Selbstverständlichkeit ist. Es gibt noch eine dritte Art, doch ihr wahres Wesen und ihre Motive bleiben weitgehend im Dunkeln.

Balthasar, Telmaine und Ishmael sind Nachgeborene, einerseits typische Vertreter ihrer Spezies, die den Konventionen folgen, aber gleichzeitig sehr individuell gezeichnet, da sie die verschiedenen Strömungen von Gedankengut repräsentieren. Dies bricht vor allem dann hervor, wenn es um ihre Arbeit geht oder jemand, der ihnen wichtig ist, bedroht wird. So erweist sich Balthasar als überaus offen gegenüber den Lichtgeborenen und den Magier, Telmaine besiegt ihre eigenen Ängste und setzt Magie ein, als ihr keine andere Wahl gelassen wird, und Ismael ist von Grund auf ein Außenseiter, von dessen Kenntnissen die anderen beiden profitieren. Gemeinsam kommen sie einer Verschwörung auf die Spur, können aber nicht alle Rätsel lösen. Das Finale stellt zwar den Leser weitgehend zufrieden, da die unmittelbaren Schicksale der Hauptfiguren geklärt werden, aber das Ende stellt zugleich einen Anfang dar, weil der Verbleib einiger anderer Charaktere nicht aufgedeckt wird. Man darf davon ausgehen, dass im folgenden Band die Angelegenheit weitergeführt und aus der Sicht der Titel gebenden Lichtgeborenen beleuchtet wird, die Zusammenhänge jedoch erst im Schlussband hergestellt werden.

Alison Sinclair liefert ein interessantes Setting, das von sympathischen und interessanten Protagonisten bevölkert wird. Da die komplexe, flüssig erzählte Handlung im Vordergrund steht und die romantische Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren angedeutet bleibt, darf man die Serie den Freunden spannender Steampunk-Romane empfehlen. Die Romantic-Fantasy-Fans werden zwar auch gut unterhalten, aber es wird weit weniger zur Sache gegangen, als sie es vielleicht gern hätten oder von anderen Lyx-Reihen (geschrieben von Lara Adrian, Nalini Singh, Lynsay Sands etc.) gewohnt sind.