Tobias O. Meißner: Barbarendämmerung (Buch)

Tobias O. Meißner
Barbarendämmerung
Umschlagabbildung: Hrvoje Beslic
Piper, 2012, Paperback, 384 Seiten, 15,99 EUR, ISBN 978-3-492-70231-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

„Barbarendämmerung“ ist ein Episodenroman, der das Schicksal eines namenlosen Barbaren beschreibt, der durch seine Kampfkraft und Körperkräfte alle anderen Menschen deutlich überragt. Zu Beginn wird erzählt, dass der Barbar gefangengenommen worden ist und hingerichtet werden soll. Er entzieht sich dem jedoch mit brachialer Gewalt, obwohl er schon auf dem Richtblock steht. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird der Namenlose dann immer wieder in Abenteuer verwickelt, deren Motivation von Seiten des Protagonisten oft nicht nachvollziehbar ist (so stürmt er mit vehementer Brutalität jeder noch so großen Gefahr entgegen, obwohl er doch einerseits am Leben zu hängen scheint, hat andererseits aber keinerlei ethischen Bedenken, ist sich dann aber, warum auch immer, für Kannibalismus zu schade, na ja!).

Dies ist auch schon eines der hervorstechendsten Probleme am vorliegenden Buch, die völlig undurchschaubare Motivationslage des Protagonisten, die selbst für einen Primitiven unhaltbar erscheint. Der Barbar erscheint deshalb eher als eine Art Alien, denn als irdisches Wesen. Das andere evidente Manko ist die phasenweise auftretende erschreckende Brutalität von „Barbarendämmerung“. Vor einigen Jahrzehnten hätte Meißner mit einer solchen Geschichte noch alle Chancen gehabt, auf den Index für jugendgefährdende Schriften zu kommen. Da freut sich der Folterknecht!

Großes Plus ist demgegenüber des Autors hervorragender Stil und die dadurch und durch den Episodencharakter des Romans gegebene hohe Lesbarkeit des Textes, so dass man auch als Leser, der nicht gerade Fan von Splatter-Elementen ist, sich gerade noch so in die Lage versetzt sieht, die Erzählung bis zu ihrem Ende zu verfolgen. Dabei profitiert diese seltsame Mischung aus „Conan, der Barbar“ und einem brutalen Splatter-Horror-Roman aus dem Bereich „Foltern, bis kein Arzt mehr kommen muss“ einzig und allein durch die brillante Schreibe des Autors, so dass man sich unwillkürlich fragt, warum Meißner meint, einen solchen ultrabrutalen Nonsens verzapfen zu müssen, hat er doch mit anderen Werken (vor allem „Das Paradies der Schwerter“) gezeigt, dass er hervorragende Fantasy-Geschichten zu schreiben in der Lage ist.

Für alle Leser, die Meißners andere Bücher kennen, stellt „Barbarendämmerung“ sicherlich eine Enttäuschung dar. Aber vielleicht sind ja gerade die perversen Elemente der Erzählung genau der Stoff, der dem Buch zu Bestseller-Ehren verhelfen, frei nach der Vorgabe, den Leser neugierig zu machen und zu schockieren, damit jeder sich die brutalen Szenen reinpfeifen will. Bei kranken Spielfilmen wie „Saw“ und „Hostel“ ging diese Rechnung ja auch auf. Es gibt offensichtlich genug psychisch gestörte Menschen da draußen!

Schade, wenn ein hervorragender Autor wie Tobias O. Meißner wirklich meinen sollte, zu solchen Mitteln greifen zu müssen, damit man seine Werke noch druckt. Denn eine Kritik an Gewaltverherrlichung oder Brutalität kann man dem vorliegenden Buch leider nicht wirklich unterstellen, nicht einmal ansatzweise.