Jeff Jordan Gesamtausgabe 1 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 02. Mai 2012 18:14
Jeff Jordan Gesamtausgabe 1
(Gil Jourdan L’Intégrale – tome 1)
Text & Artwork: Maurice Tillieux
Übersetzung: Peter Müller & Michael Hein
Ehapa, 2009, Hardcover, 240 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3308-7
Von Frank Drehmel
Mit der „Jeff Jordan“-Gesamtausgabe feiert ein weiterer großer Klassiker der franko-belgischen „École Marcinelle“ seine Wiederauferstehung. Die vom belgischen Texter und Szenaristen Maurice Tillieux (1921-1978) erdachte und entwickelte Figur des markanten Privatdetektivs Jordan ihr Debüt im Jahre 1956 im „Spirou“-Magazin des Dupuis-Verlags und sollte es in den folgenden Jahren bis 1979 auf eine erkleckliche Anzahl mehr oder weniger umfangreicher Abenteuer bringen, die nun in vier umfangreichen, hervorragend edierten Sammelbänden im Rahmen der Ehapa Comic Collection vollständig erschienen sind.
Das erste Album umfasst chronologisch die Jahre 1956 bis 1960 und beinhaltet vier längere Storys, von denen die beiden ersten einen Zweiteiler, ein Doppelabenteuer bilden, etwas, das zumindest im Verlagsprogramm Dupuis' bis dahin einzigartig war.
In „Teddy zieht Leine“ („Libellule s'évade“) und „Kokain und alte Meister“ („Popaine et vieux tableaux“) legt sich der smarte Privatdetektiv Jeff Jordan mit einem internationalen Drogenschmugglerring an. Bevor er sich allerdings den Chef – Nello Nabarte – zur Brust nehmen kann, muss er einen Verbündeten finden, der nicht nur über einiges Renommee in Tresorknackerkreisen verfügt, sondern der auch beste Kontakte zur Unterwelt hat. Und wer ist da besser geeignet als Theodor Bär alias Teddy der Trickser? Gerade befindet der sich in Begleitung Inspektor Stiesels auf dem Weg zu einer Tatrekonstruktion, so dass Jordan die Gelegenheit beim Schopf packt und den Gauner unter den Augen Stiesels entführt. Zwar ist Teddy nicht sonderlich davon angetan, fürderhin mit mehr oder weniger ehrlicher Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, aber der Detektiv kann das eine oder andere schlagende Argument vortragen. Und so befinden sich die beiden Männer unversehens in einem Abenteuer, dass sie durch halb Europa führt, skrupellose Verbrecher und Mörder vor sich, einen gleichermaßen tollpatschigen wie hartnäckigen Inspektor hinter sich.
„Tödliche Flut“ („La voiture immergée“): Jeff Jordan übernimmt den Auftrag, dem vermeintlichen Mord an dem Kunstsammler Theo Schwan nachzuspüren, welcher in seinem Auto auf der Straße – dem sogenannten Teufelspfad – zu einer kleinen Insel von der Flut überrascht und mutmaßlich fortgespült wurde. Laut Schwans Neffen soll ein Unbekannter diverse wertvolle Kunstobjekte durch wertlose Kopien ersetzt haben, was die Vermutung aufdrängt, dass Diebstahl und Verschwinden in einem Zusammenhang stehen.
„Gefährliche Verfolgungsjagd“ („Las Cargos de Crépuscule“): Dem frisch zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilten, rücksichtslosen Bankräuber Frank Reuber, welcher zuvor während seines Prozesses seinem Verteidiger tödliche Rache geschworen hat, ist die Flucht aus dem Zuchthaus Riegelfest gelungen. Jeff Jordan übernimmt den Fall auf eigene Rechnung und in Erwartung einer fürstlichen Belohnung. Doch dem Detektiv gelingt es nicht nur nicht, den Anwalt zu schützen, sondern auch Reubers Handlanger und Helfershelfer erweist sich als ultragefährlich.
Wer der Meinung war, Jeff Jordan sei eine Serie für Kinder, ist sie doch im „Spirou“-Magazin erschienen, welches sich vornehmlich an eine jüngere und jugendliche Zielgruppe wendete, der wird schon in diesem ersten Band eines Besseren belehrt. So unblutig Tlillieux’ Geschichten vordergründig auch sein mögen, erzählerisch bieten sie nicht nur reinrassige Kriminalfälle gepaart mit Abenteuern garniert mit pointierten Dialogen und slapstickhaften Momenten, sondern auch eine unverhohlene Härte und einen Hauptprotagonisten, der zwar in seinem coolen Auftreten an einen jugendlichen James Bond erinnert, der aber durchaus rücksichtslos, berechnend sowie egozentrisch wirkt und vor Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner pekuniären Ziele nicht zurückschreckt, sodass das humoristische Momentum der Serie bei seinen beiden Mitspielern – Stiesel und Teddy – verortet ist. Dabei ist Stiesel eher für den Slapstick zuständig, während Teddys Part gerade auch in der Interaktion mit dem ungeschickten Inspektor das gnadenlose Kalauern ist, in welchen Tillieux ein ums andere Mal einen vorzüglichen Sinn für Timing und Wortspiele an den Tag legt.
Zeichnerisch atmen die klaren, oft liebevoll detaillierten Bilder zwar den Charme der 50er und 60er Jahre, sind bei allem Retro-Style jedoch dennoch von erfrischender visueller Zeitlosigkeit.
Ergänzt wird dieser erste Sammelband durch ein informatives, umfangreiches und reich illustriertes Vorwort José-Louis Bocquets, in dem der Autor nicht nur auf Vita und Werk Maurice Tillieux’ eingeht, sondern auch Hintergrundwissen zu den ersten vier Storys vermittelt.
Fazit: Spannende, abenteuerliche und witzige Storys mit coolen, sympathischen Charakteren im einem charmant-anachronistischen Ambiente, die auch nach mehr als 50 Jahren nichts von ihrem Unterhaltungswert eingebüßt haben.