Criminal 6: Unschuld (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 02. Mai 2012 18:10
Criminal 6
Unschuld
(Criminal: The Last of the Innocent)
Autor: Ed Brubaker
Zeichnungen: Sean Phillips
Übersetzung: Claudia Fliege
Panini, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 116 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86201-300-5
Von Frank Drehmel
Als der erfolgreiche Riley Richards in seine kleine Heimatstadt Brookview zurückkehrt, weil sein Vater mit Magenkrebs im Sterben liegt, wird der Besuch für ihn zu mehr als nur einer Reise in seine Vergangenheit. Die Begegnungen mit alten Freunden, geläuterten Feinden und seiner ersten großen Liebe lassen ihn darüber nachsinnen, was in seinem Leben schiefgelaufen ist, denn obgleich er materiell vergleichsweise gut gestellt ist, ist er zutiefst unglücklich.
Er hat Umgang mit zwielichtigen Kreisen, sein reicher Schwiegervater hat ihn von Anfang an nicht respektiert und seine gleichermaßen berechnende wie skrupellose Ehefrau Felicity betrügt ihn mit einem alten, verhassten Rivalen Teddy.
Regelrecht verzweifelt fasst Riley den Entschluss, seine Frau zu ermorden, da sie seinem Glück im Wege zu stehen scheint. In einem perfiden Ränkespiel ermordet er nicht nur seine Ehefrau, sondern er lässt seinen Nebenbuhler als Täter in den Knast wandern und missbraucht seinen drogenabhängigen, besten Freund, Freakout, als ahnungsloses Alibi. Doch auch wenn das komplizierte Vorhaben zunächst gelingt, so ist das Spiel noch lange nicht vorbei, denn nicht nur Teddy und Freakout, ahnen – ja, wissen –, dass Riley der wahre Mörder ist, sondern auch sein Ex-Schwiegervater hat Zweifel an Teddys Schuld und heuert einen fähigen Detektiv an, der Riley mit jedem Tag näherkommt.
Im sechsten Sammelband der „Criminal“-Reihe erzählen uns Brubaker und Phillips eine klassische Kriminalgeschichte, die ganz ohne Superhelden und Metaphysik auskommt. Stattdessen reflektieren sie über das Wesen des Menschen, über das, was ihn prägt und sie führen dem Leser vor Augen, dass auch ein skrupelloser Karrierist und Mörder einst ein unschuldiges Kind gewesen ist, indem sie immer wieder aus der düsteren Gegenwart in kurzen Rückblenden in eine nostalgisch verklärte Vergangenheit zu Wende- beziehungsweise Kulminationspunkten in Rileys Leben zurückreisen.
Während die Story auf der inhaltlichen Ebene zwar intelligent und gehaltvoll konstruiert ist, ist das eigentlich Bemerkenswerte beziehungsweise Innovative jedoch das Artwork. In zwei vollkommen unterschiedlichen Stilen setzt Phillips die zwei Welten gegeneinander. Ist das Heute dunkel und düster, mit eher skizzenhaft angelegten, tief verschatteten Figuren und zahlreichen Details, die die Tristesse atmosphärisch unterstreichen – Regen, fallende Blätter, kaputte Mauern, Unrat –, so ist das Gestern in klaren, hellen, toonhaften Bildern eingefangen, deren Figuren den Nostalgiker an alte Archie-Comics erinnern. Ist dieser künstlerische und künstliche Stilwechsel zu Beginn der Geschichte deutlich gewöhnungsbedürftig, so wird er mit Voranschreiten der Handlung zunehmend als geradezu natürlich empfunden.
Fazit: Eine klassische Kriminalgeschichte mit Noir-Einschlag und einem starken, wenn auch nicht sympathischen Hauptprotagonisten, die vor allem wegen ihrer ungewöhnlichen Visualisierung und des prägnanten Aufbaus ein must-have für Fans origineller Comics ist.