Jessica Shirvington: Verlockt (Buch)

Jessica Shirvington
Verlockt
Violet Eden 2
(The Violet Eden Chapters 2 – Enticed, 2011)
Aus dem Australischen von Sonja Häußler
Titelgestaltung von bürosüd°, München
dark moon/cbt, 2012, Taschenbuch, 542 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-570-38018-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

An ihrem 17. Geburtstag erfährt Violet Eden, dass sie die Tochter einer verstorbenen Grigori und selbst ein Wächter ist, der die Menschen vor den gefallenen Engeln beschützen soll. Obwohl die Kräfte, die ihr ein offenbar hochrangiger Engel übertrug, phantastisch sind, wäre sie doch lieber ein normaler Teenager, denn die Aufgabe hat auch ihre Schattenseiten: Nicht nur leben die Wächter gefährlich, sie dürfen auch keine Beziehung mit ihrem Partner eingehen, weil sie sonst ihre Fähigkeiten verlieren könnten.

Doch nachdem sie erleben musste, wie brutal die Gefallenen ihre hilflosen Opfer abschlachten und schließlich auch ihr Ausbilder und Partner Lincoln, den sie liebt, im Sterben liegt, trifft sie die notwendige Entscheidung. Erst danach begreift Vi, dass sie von Phoenix – dessen Freundin sie nur wurde, weil Linc ihr Vieles verschwiegen und sie immer distanziert behandelt hatte – ebenfalls hintergangen und manipuliert worden war. Sie bricht mit ihm, und falls er wirklich echte Gefühle für sie gehegt hatte, so sind sie nun erloschen. Der gefallene Engel der Finsternis und Sohn Liliths zeigt ihr deutlich, wie groß seine Macht – auch über sie – ist, dass er sie jederzeit töten kann und sie sterben wird, wenn er zurückgeschickt wird.

Es ist jedoch nicht Linc, der Vi Trost spendet und ihr beisteht, sondern ihre menschliche Freundin Steph und die jungen Grigori Spence, Zoe und Salvatore. Gemeinsam versuchen die Teenager, die geheimnisvolle Tragödie aufzudecken, durch die Linc seine Mutter verlor, deren Tod er rächen will. Der persönliche Feldzug ist ihm sogar wichtiger als die Bergung mysteriöser Schriften, die in den Händen der Gefallenen, insbesondere in denen von Phoenix, eine Katastrophe anrichten könnten.

Vi läuft die Zeit davon, denn Phoenix ist bereits auf dem Weg an jenen Ort, an dem die Schriften vermutet werden. Bevor sie ihm folgen kann, muss sie jedoch Linc davon abhalten, einen folgenschweren Fehler zu begehen, nachdem für sie beide nichts mehr so wäre, wie es einmal war – oder hätte sein können. Allerdings ist der Einfluss von Griffins Partnerin Magda auf Linc so stark, dass er Vi nicht einmal zuhören will und das Mädchen zu befürchten beginnt, dass sich mehr zwischen Linc und der attraktiven Magda abspielt…

„Verlockt“ macht da weiter, wo „Erwacht“, der erste Band der „Violet Eden“-Serie, endete. Die Titelheldin ist nun eine Grigori und setzt ihre Ausbildung fort. Dem Mann, dem ihr Herz gehört, kommt sie dennoch nicht näher, denn Beziehungen zwischen Grigori fordern einen hohen Preis, den die wenigsten zu zahlen gewillt sind. Aber es gibt auch Ausnahmen, wenn sich Seelengefährten finden, und dass lässt Vi und Linc hoffen. Dennoch kann das Paar mit diesem Wissen zunächst nicht viel anfangen, denn die Zweifel in Linc sind sehr viel größer als in Vi. Hinzu kommt, dass er immer noch darunter leidet, dass Vi eine Affäre mit Phoenix hatte, die zwischen den beiden ein Band knüpfte. Auch die Freundschaft zwischen Vi und Spence sieht Linc mit einer gewissen Skepsis. Er selber unternimmt aber auch nichts, um Vis Sorge zu zerstreuen, dass Magda mehr als nur eine enge Vertraute sein könnte, die ihn bei einer wichtigen Mission unterstützt.

Zwar nimmt die bittersüße Romanze zwischen Vi und Linc sehr viel Raum ein und beeinflusst das Handeln der Protagonisten, doch die Action und die Engelsgeheimnisse kommen darüber nicht zu kurz. Immer wieder eskalieren Auseinandersetzungen zwischen den Grigori und den Gefallenen, wobei die Engel des Lichts nicht minder ‚böse‘ sind als die Engel der Finsternis.

Diese Schlägereien würden im Film vermutlich gut aussehen (vielleicht noch untermalt von batsch und bumm wie in den Terence Hill & Bud Spencer- oder den Bruce-Lee-Filmen…), aber im Buch lesen sie sich eher fade und unglaubwürdig. Trotz (Selbst-) Heilungskräften: Weshalb sollte man sich prügeln wollen, wenn es Strategien und Mittel gibt, sich der Gefallenen schneller zu entledigen? Man merkt, wann immer ein Kampf so inszeniert wurde, dass er den von der Autorin gewünschten Ausgang nimmt. Das gleiche gilt für wichtige Beobachtungen und Informationen, die einfach nicht richtig interpretiert, vergessen oder verschwiegen wurden. In Folge haben es Verräter leicht, und die Grigori müssen auch unter Ihresgleichen Todesopfer beklagen.

Die Geschichte nimmt ein vorhersehbares Ende, bei dem Freund und Feind – vorerst – ihre Seiten gewählt haben, die neue Bedrohung einen Namen erhalten und Vi wieder einige Geheimnisse um ihre Herkunft und Aufgabe erfahren hat. Für sie und Linc gibt es Hoffnung, und ob sie sich schließlich lieben dürfen, verrät wohl „Gebannt“, der dritte Teil der Reihe.

Jungen Mädchen, die statt über Elfen, Vampire und Werwesen etwas über Engel lesen wollen, bieten die „Violet Eden“-Romane eine unterhaltsame Lektüre, die weder allzu gruselig noch erotisch ist und auch nicht zu fern vom vertrauten Schüler-Alltag spielt. Für reifere Leser gibt es bloß wenige Überraschungen, da viele Entwicklungen konstruiert wirken und vorhersehbar sind. Sie dürften auch darüber stolpern, dass manch ernste Geschehnisse gegenüber den Banalitäten zu sehr in den Hintergrund treten und das ewige Hin und Her zwischen den Charakteren zu lange andauert. Leserinnen zwischen 13 und 15 Jahre werden sich daran jedoch nicht weiter stören, im Gegenteil. Schätzt man Serien wie Lisa J. Smiths „Vampire Diaries“ oder Helen Dumores „Nixen“-Bände, wird man auch Spaß an Jessica Shirvingtons Romanen haben.