Mark Charan Newton: Nacht über Valljamur – Die Legende der Roten Sonne 1 (Buch)

Mark Charan Newton
Nacht über Valljamur
Die Legende der Roten Sonne 1
(Nights of Valljamur)
Titelillustration von Max Meinzold
Lyx, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 510 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-8025-8455-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Die Sonne stirbt – so heißt es lyrisch verbrämt in einer Prophezeiung. Und wirklich, die Winter werden deutlich länger und kälter, die Nahrungsmittel knapp. Eine neue Eiszeit droht, und mit dieser der Untergang der herrschenden Reiche.

Um eben dies zu verhindern, hat der herrschende Rat von Villjamur die Stadt nach außen hin abgeschottet. Bewaffnete Wachen sorgen dafür, dass die aus allen Gegenden und Inseln des Reiches nach Villjamur geflohenen Menschen in Zelten vor den Stadtmauern frieren und hungern. Eintritt in die Stadt haben nur deren Bürger und diejenigen, die genügend Goldmünzen ihr Eigen nennen. Doch auch innerhalb der Befestigungen spitzt sich die Lage zu. Ratsmitglieder werden ermordet, Tote verschwinden um bei verbotenen Untersuchungen missbraucht zu werden, der König stürzt von den Klippen zu Tode.

Brynd, der Anführer der Nachtwachen, vermutet gar Verrat in den höchsten Kreisen. Zwei der von ihm geleiteten Expeditionen wurden verraten, Barbaren von den Inseln und wandelnde Untote griffen ihn an. Jemand in der Stadt, einer, der nicht nur Zugang zu Geheimnissen hat sondern auch die Macht und die klingende Münze, seinen Willen durchzusetzen, ist für all dies verantwortlich. Doch was nur sucht der Unbekannte? Das ewige Leben, die Herrschaft über die Stadt und das Reich? Und wer kann sich ihm in den Weg stellen?

Lyx zitiert auf dem Backcover einen Vergleich des vorliegenden Romans mit Mervyn Peakes „Gormenghast“. So absurd der Vergleich zu Beginn anmutet, ist, zumindest was die Stimmung, die Atmosphäre anbelangt, der Verweis so abwegig nicht. Die Stadt, nein, eigentlich sind es nicht nur die Menschen in der stark befestigten Residenz, sondern auch die frierenden und hungernde Bürger vor den Toren, die Barbaren, die vom Hunger getrieben über die Inseln herfallen, sie alle wirken depressiv, von der bevorstehenden Katastrophe bereits besiegt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass eine gewisse egoistische Mentalität überwiegt. Nach mir die Sintflut, jeder rette sich wenn er kann – das scheinen die Maxime zu sein, nach denen sich die meisten Menschen richten. Mitleid und Güte kann und will sich keiner mehr leisten, der gnadenlose Kampf ums Überleben hat bereits begonnen.

In dieser Welt präsentiert uns der Autor dann seine Gestalten. Als da sind:
Brynd, der Albino, der sich in Jahren im Dienst des Königs zum Anführer der Nachtwache und damit der Leitung des Militärs der Königsstadt emporgearbeitet hat. Dass er von der Ausgrenzung, mit der er nach wie vor zu kämpfen hat, getrieben ist, dass er seine homo-erotische Neigung verstecken muss, macht seinen Dienst nicht leichter.
Randur, begnadeter Tänzer und unter fremden Namen nun Lehrer der Schwester der Thronerbin im Tanz und den Kampfeskünsten. Dass er zudem für seine kranke Mutter magische Heilung sucht, die er für einen exorbitanten Preis auch in Aussicht gestellt bekommt, sorgt dafür, dass er seine Bettkünste auch in klingende Münze versilbern muss.
Zu diesen beiden, ich scheue mich fast, sie Hauptpersonen zu nennen, gesellen sich weitere faszinierende Gestalten. Etwa der Inquisitor Jeryd, Angehöriger der langlebigen Rumel, der die Morde in der Königsstadt untersuchen darf oder die Kultisten, Magier unterschiedlicher Zweige, die einander mit Argusaugen beobachten und bekämpfen.

Das liefert uns, gerade weil die Handlungsstränge zunächst wenig miteinander zu tun haben, ein umfassendes Bild der Stadt, seiner Bewohner und deren Geisteszustand. Das ist weit von den gewohnten Helden-Epen entfernt, liest sich zunächst unauffällig, entfaltet dann aber nach und nach immer mehr Faszination. Gerade die unterschwellig immer deutlicher zu Tage tretende Hoffnungslosigkeit, die nach und nach dazu führt, dass die zivilisatorische Tünche dünner wird, dass jeder nur nach sich selbst schaut, weiß hier zu beeindrucken.

Das ist einmal keine stromlinienförmige Helden-/Questenfantasy – anfänglich auch keine einfache Lektüre-, die aber, wenn man sich eingelesen hat, das Bild einer ungewöhnlichen Stadt und ihrer Bewohner für den Leser bereithält.