Grimm Fairy Tales – Mythen und Legenden 1 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 11. März 2012 16:00
Raven Gregory, Ralf Tedesco, Joe Brusha & Joe Tyler
Grimm Fairy Tales – Mythen und Legenden 1
(US-Grimm Fairy Tales: Myths & Legends Volume 1 TPB, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Titelbild von J. Scott Campbell
Zeichnungen von David Miller, Jason Embury u.a.
Panini, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 168 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86201-309-8
Von Christel Scheja
Bereits mit ihrer sehr blutigen und gar nicht netten Version des Wunderlandes sorgten Raven Gregory, Ralf Tedesco und Joe Brusha in der Comic-Szene für Aufsehen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sie sich nun auch klassischeren Märchenthemen annehmen und eine neue Reihe gestartet haben, in der es nicht minder heftig zur Sache geht.
Schon das Titelbild verrät, dass wir es hier mit „Rotkäppchen“ zu tun haben. Allerdings entführt die Geschichte den Leser erst einmal in ein abgelegenes Sanatorium. Dort sind auf Wunsch der reichen Eltern und Verwandten unliebsame Sprösslinge untergebracht. Alle Insassen weisen schwere Psychosen auf, die man nicht gerne in der Öffentlichkeit zeigt. Da ist ein junges Mädchen mit sozialen Verhaltensstörungen, die von Schmerzmitteln abhängig ist, eine andere, die immer nur Sex will, während die Dritte sich ins Fleisch schneidet, wann immer sie es überkommt. Bei den jungen Männern fallen zwei junge Alkoholiker auf, die längst ihre Moralvorstellungen über Bord geworfen haben, ein junger Mann, der nicht aufhören kann zu essen und einer, der unter einer katatonischen Bewusstseinsspaltung leidet.
Die Therapeutin dieser kleinen Gruppe ist Britney Waters. Die feinfühlige junge Frau hütet allerdings nicht nur selbst ein düsteres Geheimnis, sie spürt auch, dass man in der Anstalt gar nicht wirklich vorhat, die jungen Menschen zu heilen. Ihr Kollege ist ein aufgeblasener Frauenheld, der Chef ein geldgieriges Monster und die Wärter ziehen auch ihren Nutzen aus Gunstbeweisen der jungen Insassen. Dann aber bricht das Grauen über die Menschen hinein. Erst verschwinden nur Wärter, dann werden grausam entstellte Leichen im Keller gefunden. Ein blutgieriges Monster wütet unter den Anwesenden. Doch woher kommt es, und was ist sein Ziel? Ausgerechnet Britney muss die Antwort auf diese Frage finden und sich damit der Herausforderung und so auch ihrer eigenen düsteren Vergangenheit stellen.
Reichen viel Haut und Splatter aus, um eine interessante und dazu noch spannende Geschichte zu erzählen? Zwar fließt eine Menge Blut, es fliegen Gedärme und andere Körperteile, aber die Geschichte erzielt keine nachhaltige Wirkung. Zu formelhaft ist das Vorgehen des Monsters, dessen Motivation auch am Ende nicht einmal in Ansätzen klar wird. Auch seine Opfer verdienen nicht viel Mitleid, da sie in ihren normalen Leben meistens selbst Täter sind, da sie die Schwächeren für ihre düsteren Leidenschaften ausnutzen. Die Autoren und Künstler setzen leider durchweg auf vordergründige Horroreffekte. Sie klotzen da, wo auch leisere Töne genügt hätten und bedienen gründlich alle Klischees, die man mit solchen Sanatorien in Verbindung bringt. Die Figuren bleiben sehr blass, sind bloße Abziehbilder klassischer Archetypen. Das ändert sich auch nicht durch die letzte Geschichte, die ein wenig mehr über den Hintergrund Britneys enthüllt.
Letztendlich sollte man nicht mehr als eine einfache Horrorstory erwarten, die in erster Linie den Wunsch nach Action, Blut und Gedärmen erfüllt, aber ansonsten weder irgendwelche Überraschungen in der Geschichte bietet, noch interessante Variationen altbekannter Handlungsmuster.
Die Zeichnungen sind dagegen von gewohnt hohem Niveau und gleichen denen der „Wonderland“-Saga. Sie bieten neben viel Action auch eine Menge nackter Haut und schöner weiblicher Körper.
Alles in allem enttäuscht „Grimm Fairy Tales“. Die moderne Horror-Interpretation des „Rotkäppchen“-Märchens ist auf bloße Effekthascherei ausgelegt und bietet hinter einer ansprechenden Fassade leider nur eine altbekannte Story mit vielen Klischees, die man zwar lesen kann, aber nicht kennen muss.