John Wyndham: Die Triffids (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 16. Februar 2012 18:20

John Wyndham
Die Triffids
(The Day of the Triffids, 1951)
Übersetzung von Hubert Geifeneder, überarbeitet von Inge Seelig.
Heyne, 2012, Taschenbuch, 300 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-453-52875-8 (auch als eBook erhältlich)
Von Gunther Barnewald
John Wyndhams Roman von 1951 ist einer der großen Klassiker des SF-Genres und sicherlich auch heute noch einer der bekanntesten Katastrophen-Romane überhaupt. Schon 1962 wurde das Buch in England verfilmt („Blumen des Schreckens“), allerdings dermaßen schlecht und trashig, dass man sich als SF-Fan dafür schämen muss.
Und während der Film das Hauptaugenmerk auf die riesigen fleischfressenden Pflanzen legt, welche die Menschheit bedrohen (Frauen spielen in diesem Film nur deshalb mit, damit sie wie wahnsinnig kreischen können, wenn ein Triffid angreift), geht es im Buch ganz klar um den Menschen und sein Verhalten in Notfallsituationen.
Kurz zum Inhalt: Mysteriöse Meteorschauer lassen den nächtlichen Himmel über der Erde erglühen und sorgen dafür, dass alle Menschen, die sich dieses Naturschauspiel angeschaut hatten, erblinden. Damit sind etwa 99,99 % der Menschheit über Nacht nicht mehr sehfähig, die soziale Struktur bricht völlig zusammen. Bill Mason ist einer der wenigen, die ihr Augenlicht behalten haben, lag er doch in jener schicksalhaften Nacht mit einer Augenverletzung in einer Klinik. Da man ihn operiert hatte, waren seine Augen verbunden, der Verband sollte erst am nächsten Tag abgenommen werden. Als Mason nun erwacht, lauscht er an einem Mittwochmorgen in der Londoner Innenstadt vergeblich nach dem üblichen Verkehrslärm. Stille hat sich ausgebreitet in der Klinik und außerhalb, keine Schwester kommt, als er ruft. So entfernt er die Binden, kann glücklicherweise wieder sehen, trifft einen erblindeten Arzt, der sich ob der Aussichtslosigkeit seiner eigenen Situation aus dem Klinikfenster in den Tod stürzt und verlässt die Klinik, um eine Welt vorzufinden, in der das Chaos ausgebrochen ist.
Einige Jahre zuvor war im Ostblock (den gab es 1951 noch!) eine neue Pflanzenart entwickelt worden, welche zwar schmackhaftes Speiseöl lieferte, aber aufgrund ihrer Größe, ihres Giftstachels und der Möglichkeit zu Laufen auch eine Bedrohung für die Menschen darstellte. Diese Triffid genannte Pflanze hatte man jedoch gezähmt und wie eine Erntepflanze angepflockt und den Stachel entfernt, so dass man glaubte, die Gefahr gebannt zu haben. Durch einen Unfall hatten ihre Samen weltweite Verbreitung gefunden. Diese Triffids erweisen sich nun als zunehmende Gefahr, zumal sie sich explosionsartig vermehren, auf Schallwellen reagieren und beginnen, die Menschen zu jagen, dabei sogar noch eine gewisse Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit untereinander entwickeln. Damit werden sie nach und nach auch zur tödlichen Gefahr für die letzten sehenden Menschen, die verzweifelt versuchen, die Reste von Zivilisation aufrecht zu erhalten, die ihnen geblieben sind...
Wyndhams Verdienst ist es, sich mehr um die menschlichen Fragen zu kümmern (wer schon immer mal den Rest der Menschheit zum Teufel gewünscht hat, der wird hier eines Besseren belehrt), die Triffids werden erst im letzten Teil der Geschichte zu einem immer stärkeren Faktor. Vorher geht es vor allem um die Fragen, wie das Weiterleben zu organisieren sei, ob man den Blinden helfen kann oder nicht (was natürlich angesichts der Masse völlig utopisch ist) und wie man es schafft, die kulturellen und technischen Segnungen der Menschheit zu erhalten, damit die Generation der Nachfahren nicht wieder zu primitiven Wilden verkommt.
Der Autor beschreibt dabei recht karg das entstehende Elend nach dem Zusammenbruch, erspart dem Leser zwar die schlimmsten Härten, die sich dank Andeutungen aber trotzdem in dessen Phantasie (sofern vorhanden) manifestieren dürften.
Der Autor José Saramago hat dieses Thema nochmals in einem Roman aufgegriffen und konsequent durchdacht (hierzu gibt es übrigens auch eine Verfilmung unter dem Titel „Die Stadt der Blinden“, diesmal sogar eine sehr gute). Zudem erspart der Autor dem Leser jedweden Schwulst, lässt keine falsche Sozialromantik aufkommen und erdreistet sich außerdem nicht, die Erzählung mit einem unsinnigen Happy End zu entwerten (wie dies die unselige Verfilmung von 1962 macht).
Deshalb muss man Wyndham bescheinigen, dass er einen der intelligenteren Post-Doomsday-Romane geschrieben hat, denn hier kommt die Bedrohung nicht nur von Außen, der Mensch selbst ist des Menschen größter und gefährlichster Feind, was die letzte Flucht, die Mason und seine Leute gegen Ende der Geschichte antreten müssen, nachdrücklich unter Beweis stellt.
Sehr löblich, dass man bei Heyne diesen Klassiker wieder aufgelegt hat, diesmal sogar erstmals ungekürzt. Leider hapert es etwas am Inhaltstext auf der Buchrückseite, steht hier doch zu lesen: „Infolge eines außer Kontrolle geratenen biologischen Experiments erblindet der größte Teil der Menschheit...“, was natürlich völlig falsch ist (denn die Erblindung erfolgt durch die Meteoritenschauer, wobei Mason schon einmal die Vermutung äußert, ob die mysteriösen Lichtblitze nicht auch eine fehlgeschlagene Attacke durch eine neuartige Satellitenwaffe gewesen sein könnte, überlegt, ob diese Legende nicht für die nächste Generation ein Trost wäre im Sinne eines: Gut dass dieses verrottete System untergegangen ist). Auch das Zitat von Stephen King (als Autor eine Koryphäe, als Kritiker eher nicht), wonach Wyndham der „beste Autor, den England jemals hatte“ sei, ist etwas fragwürdig, denn sicherlich war John Wyndham Parkes Lucas Benyon Harris (so sein vollständiger Name) einer der besten englischen SF-Schriftsteller (vielleicht meint King dies auch), ihn als „Der Best“” zu titulieren scheint aber dann angesichts eines H. G. Wells oder eines Olaf Stapledon etwas zu hoch gegriffen.
Sei dem wie es sei, Wyndhams Roman ist auch heute noch spannend zu lesen, packend erzählt, intelligent und phantasievoll. So wie fast alle anderen Bücher des Autors ist auch „Die Triffids“ lesbar geblieben. Unterhaltung, innovative Ideen und ein Schuss Nachdenklichkeit machen das Buch zu einem ewigen Klassiker, von dem man hofft und glaubt, dass er auch nachfolgende Generationen von Lesern (sofern vorhanden) noch restlos begeistern wird.