Amanda Hocking: Versuchung – Unter dem Vampirmond 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 24. Januar 2012 21:07
Amanda Hocking
Versuchung
Unter dem Vampirmond 1
(My Blood Appoves, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Ines Klöhn
Titelgestaltung von bürosüd° unter Verwendung eines Motivs von Birgit Gitschier
cbt, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 30 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-570-16135-7 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Alice ist 17, keine sonderlich gute Schülerin und in ihrer Freizeit ständig auf Achse. Zusammen mit ihrer Freundin Jane geht sie Shoppen, sie versuchen, mit gefälschten Papieren in angesagte Discos hineinzukommen und wollen jede Menge Spaß haben. Da Alice‘ Mutter nachts arbeitet und den Tag verschläft und sich Alice‘ jüngerer Bruder Milo um den Haushalt kümmert, gibt es niemanden, der ihr Grenzen setzt oder ihr Pflichten auferlegt.
Allerdings lauern Gefahren in der Nacht: Auf dem Heimweg werden Alice und Jane von einer Gruppe junger Männer verfolgt, denen es gelingt, Alice in einem Parkhaus zu umzingeln. Als sie schon glaubt, dass sie verloren ist, taucht der 24-jährige Jack auf und verjagt die Kerle. Während Jane von ihrem Retter völlig hingerissen ist – wie auch alle anderen, die ihm begegnen –, findet Alice ihn lediglich sympathisch und sieht in ihm einen lustigen Kumpel, mit dem sie gern abhängt.
Schon bald drängt Jack Alice, seine Familie kennenzulernen. Er wohnt zusammen mit seinen attraktiven Brüdern Peter und Ezra, sowie dessen Frau Mae in einem riesigen Haus. Sie verfügen über sehr viel Geld und teure Autos. Für Alice, die aus einfachen Verhältnissen stammt, ist das wie ein Besuch im Wunderland. Ezra und Mae nehmen das Mädchen freundlich auf und bitten es, bald wieder zu kommen.
Allein Peter verhält sich aus unerfindlichen Gründen feindselig und will mit Alice nichts zu tun haben. Zwar behaupten die anderen, er würde sie in Wirklichkeit mögen und sein Verhalten habe andere Gründe, aber das zu glauben fällt ihr schwer. Und ausgerechnet er ist derjenige, der ihr Herz zum Rasen bringt und nach dem sie sich verzehrt. Aber warum? Und weshalb geben sich alle so geheimnisvoll und wollen so manche Frage nicht beantworten?
Es dauert eine ganze Weile, bis Alice das Geheimnis ihrer neuen Freunde entdeckt, doch damit sind längst nicht alle Rätsel gelöst, denn es passiert etwas, womit niemand gerechnet hat: Obwohl Alice für Peter bestimmt ist, hat sich Jack in sie verliebt, und auch sie hat Gefühle für ihn entwickelt – und das bringt alle drei in Gefahr. Hinzu kommt, dass sich Alice entscheiden muss, ob sie so werden will wie Ezra, Mae, Peter und Jack zu dem Preis, dass sie Milo nicht mehr wiedersehen darf, oder ob sie bei ihrer Familie bleibt und dafür auf die Liebe ihres Lebens und noch einiges mehr verzichtet.
Der Serientitel „Unter dem Vampirmond“ nimmt das große Geheimnis von Jack und seinen Angehörigen vorweg. Obendrein tut die übertriebene Geheimniskrämerei der Vampire ein Übriges, dass der erfahrene Leser sofort ahnt, mit welcher Spezies er es zu tun hat. Die eingestreuten Hinweise kommen zudem wie mit dem Holzhammer, sodass man nur noch den Kopf über Alice schüttelt, die ein wahrer Antiblitzmerker ist.
Überhaupt ist die Story mit nur einer Handlungsebene sehr einfach, geradlinig und vorhersehbar aufgebaut. Erzählt werden die Geschehnisse aus Alice‘ Perspektive. Die wenigen Protagonisten sind geradezu typisch für die Romantic Mystery, und ein Zugeständnis an das Alter der anvisierten Leserschaft – Mädchen ab 14 Jahre – ist das mitunter kindlich-kindische Verhalten von Peter und Jack, die sich beispielsweise an der Playstation ein Gitarren-Duell liefern. Natürlich leben alle in ‚idealen‘ Verhältnissen und sind attraktiv:
Die Vampire sind durch ihre Pheromone für Menschen unwiderstehlich und so reich, dass sie nach Belieben in die Nacht hineinleben können. Natürlich müssen sie, um sich zu nähren, nicht töten und versorgen sich zusätzlich über Blutbanken. Alice kann sich ungestört die Nächte um die Ohren schlagen, da ihr Bruder die häuslichen Pflichten weitgehend allein und ohne zu murren erledigt und sich die Mutter nicht weiter um die Kinder kümmert, von gelegentlichen Gängelungsversuchen einmal abgesehen. Janes Funktion ist zu verdeutlichen, dass Alice trotz allem sehr solide und keine von denen ist, die bis zum Erbrechen säuft und kifft und mit jedem ins Bett hüpft. Mehr Handlungsträger gibt es nicht.
Die Parallelen zu „Twilight“ lassen sich nicht leugnen, denn das Milieu und die Personenkonstellation, die Charakterisierung der Vampire, mit denen sich ein ‚besonderes‘ Mädchen anfreundet, und die Probleme sind vergleichbar. Alice ist Bella, ihre Mutter und Milo entsprechen Bellas Eltern, Jack ist Edward, Peter ersetzt Jacob, Ezra und Mae nehmen die Plätze von Carlisle und Esme ein, Jane kommt mit ihrer Eifersucht Rosalie am nächsten, und Bella freundet sich besonders mit der Vampirin Alice (!) an.
Nachdem die „Unter dem Vampirmond“-Alice endlich die Wahrheit über ihr ‚Wunderland‘ erfahren hat, wird als neuer Twist die Dreiecksbeziehung Alice-Jack-Peter ausgebaut und von der Hauptfigur die Entscheidung abverlangt, wem sie den Vorzug gibt: dem faszinierenden bad guy oder dem netten Jungen mit der white bread mentality. Ferner wird ihr die Frage gestellt, ob sie ein Vampir werden oder ein Mensch bleiben wolle. Auch diese Motive finden sich in „Twilight“. Für beide Punkte gibt es in „Versuchung“ keine endgültige Lösung, schließlich sollen noch mindestens fünf Bände folgen.
Man kann nur hoffen, dass Amanda Hocking sich in den weiteren Romanen aus dem „Twilight“-Sog lösen kann, ihre Charaktere individueller gestaltet, mit weniger verbrauchten Ideen und dafür mit mehr Spannungsmomenten aufwartet. Diese sind leider Mangelware, und für ein phantastisches Buch braucht es einfach mehr als bloß eine Handvoll Vampire. Tatsächlich hätte die Handlung auch mit ‚normalen‘ Menschen funktioniert, denn in erster Linie ist „Versuchung“ nichts anderes als eine Teenie-Romanze.
Junge Leser, die romantische Vampir-Geschichten lieben oder gar „Twilight“-Fans sind, werden an der flüssig geschriebenen Erzählung dennoch ihren Spaß haben, da sie sich leicht in Alice hineinversetzen können, von einem vergleichbaren Leben vermutlich träumen und mit der Protagonistin zusammen in die Traumwelt eintauchen dürfen.