Mira Grant: Feed – Viruszone (Buch)

Mira Grant
Feed – Viruszone
(Feed)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jakob Schmidt
Titelillustration von bürosüd
Lyx, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 500 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-8025-8416-9

Von Carsten Kuhr

Als man endlich ein wirksames Mittel gegen den Krebs und kurz darauf auch eines gegen den Schnupfen gefunden hatte, waren alle, die Pharmaindustrie wie die Patienten, begeistert. Nebenwirkungen gab es, glaubte man den Untersuchungen und Studien, keine, bis sich die beiden viralen Impfstoffe miteinander verbanden , seitdem liegen die Toten nicht länger in ihren Gräbern, sondern suchen als wandelnde Leichen nach Nahrung.

Und was schmeckt wiederauferstandenen Toten am Besten? Jeder, der bereits einmal einen Zombiefilm angeschaut hat, der weiß, hinter was die Wandelnden her sind: leckeres Gehirn steht hier ganz oben auf ihrem Speiseplan. Die Epidemie breitete sich insbesondere in den Universitätsstädten rasend schnell aus. Doch der Homo Sapiens ist das Kämpfen gewohnt, weiß, wie er sich und seine Spezies zu schützen hat. Hermetisch abgeschottete Ansiedlungen, Häuser und Autos eroberten den Markt, die Menschheit hat sich einmal wieder flexibel ihrer Nemesis angepasst.

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat sich aber nicht nur das alltägliche Leben der Menschen angesichts der permanenten Bedrohung durch die wandelnden Untoten geändert, auch die Medienlandschaft hat einen radikalen Umbruch hinter sich. Blogger haben nach und nach die Aufgabe der früheren freien Presse übernommen. Klicks statt Auflagenhöhe, neue Stars wurden, auch weil die Blogger als erste auf die Gefahr durch die Zombies hingewiesen hatten, geboren. Die Besten unter den Bloggern verdienen Millionen, sind gefeierte Helden des Internets.

Das Geschwisterpaar Georgie und Shaun gehört zusammen mit ihrer Freundin und Kollegin Buffy zu den jungen, aufstrebenden Bloggern, die um ein größeres Stück vom Kuchen kämpfen. Als sie dazu auserwählt werden, einen der Präsidentschaftskandidaten auf seinem Wahlfeldzug zu begleiten und über diesen zu berichten, ahnen sie nicht, dass sie und der aufstrebende Senator damit ins Visier skrupelloser Gegner geraten…

Hinter dem Pseudonym Mira Grant versteckt sich die US-amerikanische Autorin Seanan Maguire. Statt „nur“ einen weiteren, austauschbaren Zombie-Roman vorzulegen, hat sie sich ein inhaltlich überzeugend real wirkendes Setting einfallen lassen. Was wäre, wenn wirklich ein biologisches Mittel dazu führen würde, dass Leichen sich von ihrem Totenbett wieder erheben würden? Wie würde die Menschheit reagieren? Fragen, auf die die Autorin uns inhaltlich logisch aufgebaute, erschreckend wirklichkeitsnah wirkende Antworten gibt.

Die erste große Welle der Infektionen hat dazu geführt, dass Familien auseinander gerissen wurden, dass Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Familie verloren haben. Adoptionen, der Zusammenschluss der Menschen in kleinen gesellschaftlichen Gruppen, ist als Folge in sich logisch. Auch, dass der Kontakt über das Netz, die Nachrichtenverbreitung durch unabhängige, nicht von irgendwem gesteuerte Blogger zunehmen, ist nachvollziehbar. Die Reaktion der Menschen, die Bedrohung, der man nicht wirklich Herr werden kann, durch technische Hilfsmittel zumindest einzudämmen, sich in Festungen – ganz gleich ob es sich dabei um Städte, Häuser oder den fahrbaren Untersatz handelt – zurückzuziehen, ist ebenfalls nachvollziehbar.

In diese faszinierend andere Welt hat die Autorin nun ihre beiden alternierenden Erzähler gesetzt. In ihren jeweiligen Blogs berichten diese nicht nur vom Wahlkampf und den Anschlägen, sondern zwischen den Zeilen auch von den Menschen und ihrer Welt. Die tiefe Zuneigung zueinander, die Harmonie, aber auch die gegenseitigen Neckereien prägen die Texte. Dass beide von ihren Pflegeeltern jeweils zur Steigerung des eigenen Blogs seit Jahren gebraucht (ich bin versucht zu sagen: missbraucht) werden, ändert nichts daran, dass sie einander lieben. Das wirkt nicht etwa aufgesetzt, sondern in sich glaubwürdig und kommt eher durch kleine Gesten und Bemerkungen zum Ausdruck, als dass es groß und plakativ in den Raum gestellt würde. Buffy als Computerexpertin ist ein perfekter Nerd – jung, experimentierfreudig, mit dem Internet und all seinen Erscheinungen verwachsen, ist sie schon wieder so stereotyp dargestellt, dass sie uns mit all ihren Macken und Eigenheiten gefangen nimmt und lebensecht rüberkommt.

Auch wenn die Antagonisten ein wenig zu abgedroschen agieren und die Handlung – ohne hier zu viel verraten zu wollen – am Schluss doch sehr emotional aufrüttelnd daherkommt, liest sich das Buch sehr angenehm.

Nach einem etwas langsamen Start nimmt die Handlung ab dem zweiten Teil deutliche Fahrt auf und reißt den Leser mit sich mit. Glaubhafte Charaktere, ein faszinierend real wirkendes Umfeld und ein bitter-zynischer Blick auf einen US-Wahlkampf verbinden sich letztlich zu einem intelligenten Lesespaß.