Kady Cross: Das Mädchen mit dem Stahlkorsett (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 11. Januar 2012 20:38
Kady Cross
Das Mädchen mit dem Stahlkorsett
(The Girl in the Steel Corset – Steampunk Chronicles Book 1)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jürgen Langowski
Heyne, 2011, Hardcover, 368 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 3-453-26740-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Als Hausmädchen im England des Viktorianischen Zeitalters hat man kein leichtes Leben. Wenn die Herrschaft ruft, muss man bereit sein, als letzter geht man ins Bett, als erster steht man auf, nur damit die hohen Herrschaften auch ja verwöhnt werden. Wenn es dann aber der rüpelhafte adelige Sohn des Hauses auch noch auf die Jungfräulichkeit der Angestellten abgesehen hat, dann wird die Sache mehr als unschön.
Finley Lane kommt eigentlich aus einem guten Elternhaus. Als sich ihr jedoch besagter Dandy aufzwingen will, fühlt sie, wie etwas tief in ihr erwacht. Eine dunkle, morbide, gefährliche Seite übernimmt die Kontrolle, eine Macht, die es genießt in Gefahr zu sein, die sich aber auch sehr tatkräftig zu wehren weiß. Eine gebrochene adelige Nase und ein etwas derangiertes hochherrschaftliches Kinn später findet sich Finley auf der Flucht wieder. Dass sie dabei von einem waschechten Herzog fast überfahren wird, erweist sich als Beginn eines ganz besonderen Abenteuers. Griffin nimmt sie mit auf sein Anwesen, auf dem er mit einer Reihe ebenso außergewöhnlicher wie treuer Freunde residiert. Alle verfügen über besondere, fast übernatürlich wirkende Gaben. Und Finley ist, auch wenn sie dies nicht ahnt, eine von ihnen.
Als der Maschinist, wie sich der Terrorist und Verbrecher großspurig selbst nennt, ihr nach dem Leben trachtet, dieser gar einen Anschlag auf die Queen plant, macht sich Griffin zusammen mit seinen Freunden und Finley auf, ihm das Handwerk zu legen. Dass sie dabei von dem Verbrecherkönig von White Chapel unterstützt werden, passt Griffin gar nicht – hat dieser doch auch ein Auge auf die bezaubernde Finley geworfen…
Hinter dem Pseudonym Candy Cross verbirgt sich die US-amerikanische Autorin Kathryn Smith. In ihrem ersten Jugendbuch, einmal mehr dem Start einer Serie (Band 2 befindet sich in Vorbereitung, eine Vorgeschichte gibt es ausschließlich für den Kindle als eBook zum Herunterladen) legt sie das vor, was Verlage und zwischenzeitlich auch die Leser als großen neuen Trend auserkoren haben: einen waschechten Steampunk Plot.
Dampf- und Aetherbetriebene Maschinenwesen, künstliche Gliedmaßen, Organellen, fiese Gangster, der hochherrschaftliche, britische Adel und London, das sind gemeinhin die üblichen Zutaten derartiger Bücher. Dass London als Handlungsort kaum genutzt wird, dass der Plot selbst vorhersehbar und, zumindest was die Jagd nach dem Maschinisten anbelangt eher zögerlich in Fahrt kommt, stört dabei erstaunlicherweise kaum. Cross, um bei diesem Namen zu bleiben, setzt stattdessen auf einen augenzwinkernden Humor, eine Heldin voller Verve und Intelligenz und auf die Darstellung einer Personengruppe, die in ihrer Zusammensetzung und Struktur einfach nur interessant ist. Sei es der Gentleman-Gauner Dandy, Sam, der verbohrte Mann fürs Grobe, oder die geniale Erfinderin Emily (ihr sind die Velos, die Funkempfänger und Roboter in erster Linie zu verdanken), sie alle sind interessant gezeichnet und verwöhnen den Leser mit jeder Menge an zwischenmenschlichen Verwerfungen. Dabei ist der Romantik-Faktor nicht zu hoch, steht die Suche nach dem „Wer“, dem „Warum“ und dem „Wie“ im Vordergrund.
Eine zusätzliche metaphysische Ebene erhält die Handlung dadurch, dass Griffin über den Aether Verbindung mit dem Reich der Toten aufnehmen kann. Die deutliche, aber erneut eher augenzwinkernde Anspielung auf Dr. Jekyll und Mr. Hyde verleiht unserer Heldin zusätzlichen Reiz.
Interessant, unterhaltsam und humorvoll kommt das Buch daher, dessen gute Übersetzung die Lektüre zum Selbstläufer macht.