Die Minimenschen Maxiausgabe 6 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 03. Januar 2012 22:26
Die Minimenschen Maxiausgabe 6
Artwork: Pierre Seron
Szenarien: Pierre Seron, Mittéï
Übersetzung: Bernd Leibowitz, Bernd Weckwert; Volker Harmann
Ehapa, 2010, Hardcover, 176 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3312-4
Von Frank Drehmel
Um mit einem Erratum zu beginnen: Anstatt der im Inhaltsverzeichnis vorgesehenen Geschichte „Weihnachten in Rochafleur“ („Les locataires de Noël“) enthält dieser Sammelband in deutscher Erstausgabe die Episode „Das Glück der Engel“ („Au bonheur des Anges“), die aufgrund eines drucktechnischen Versehens eigentlich schon in Band 5 hätte erscheinen sollen und die nun nachgeholt wird.
Damit präsentiert Album 6 folgende Storys: „Der Luftpirat“ („Le pirate des campagnes“), „In den Klauen der Kreuzritter“ („Dans les griffes du seigneur“), „Die Ratten im Kuhstall“ („Les rats d'étable“), „Das Glück der Engel“ („Au bonheur des Anges“), „Das Wespennest“ („Le guêpier“), „Der Ekel“ („De walging“) und „Die Gefangenen der Zeit“ („Les prisonniers du temps“). In gewohnter Manier sollen nur die längeren Geschichten etwas näher beleuchtet werden, wobei dieses – auch wie bisher – explizit keine qualitative Bewertung der kürzeren Episoden darstellt.
„In den Klauen der Kreuzritter“ & „Die Ratten im Kuhstall“:
Renaud und seine beiden Kumpel Lapaille und Lapoutre haben sich ein gleichermaßen idyllischen wie abenteuerlichen Flecken für ihren Campingausflug ausgesucht: Inmitten grüner Felder harrt auf einem großen Felsen die Ruine einer alten Burg ihrer Eroberung. Flugs machen sich Renaud und Lapoutre an das Besteigen der Anhöhe und finden, oben angekommen, innerhalb des alten Gemäuers nicht nur eine intakte Burg in ihrer Minigröße samt Bewohnern, sondern landen auch gleich im Kerker derselben. Burgherr Montrigu glaubt in den beiden Minimenschen Spione des feindlich gesinnten Junkers Crapulay zu erkennen und regt eine zünftige Folter an, um etwaige Spionagepläne ans Tageslicht zu bringen. Bevor der Henker jedoch sein krudes Werk beginnen kann, gelingt Lapoutre die Flucht; Renaud allerdings findet sich auf der Folterbank wieder, sodass der hochnotpeinlichen Befragung nichts im Wege steht … außer der Ideenarmut des Henkers. Ein knappes halbes Jahr später: Renaud und Lapoutre besuchen das mittlerweile zu Freunden avancierte Burgvölkchen und finden das kleine Schloss in dichten Rauch gehüllt, vor dem sich der Junker und seine Mannen in die Stallungen zurückgezogen haben. Schon bald stellt sich heraus, das irgendjemand mit unlauteren Mitteln versucht, die Rittersleute aus ihrem Stammsitz zu vertreiben. Während Montrigu wieder einmal den kleinen und grimmen Junker Crapulay dafür verantwortlich macht und eine kriegerische Offensive gegen die feindlichen Minis jenseits des Flusses startet, vermutet Renaud Verrat von ganz anderer Seite und soll schließlich Recht behalten.
„Das Wespennest“
Es ist wieder einmal soweit: das jährliche Picknick des FDJ (Fröhliche Düsenjäger-Junggesellen) steht an; allerdings sind von den ehemals sechsundvierzig Junggesellen nur noch zwölf übrig, und auch Renaud muss aus „persönlichen“ Gründen absagen. So fliegen also elf eherne Eheverweigerer los und kehren nicht zurück. Am nächsten Tag mach sich der zurückgelassene Jetpilot auf die Suche und findet lediglich einen „Überlebenden“, der auch noch des Wahnsinns kesse Beute zu sein scheint. Zeit für die Minimenschen eine größer angelegte Suchaktion zu starten, welche allerdings ebenfalls erfolglos bleibt. Dafür jedoch wird eine Reihe von Flugzeugen aus dem Hangar gestohlen, mit denen laut Nachrichten in den nächsten Tage eine Reihen von Überfällen auf die Großen verübt wird. Damit erhält die Angelegenheit eine ganz neue Dimension, denn a) ist sicher, dass die Verschwundene am Leben sind, und b), dass etwas Schreckliches passiert sein muss, denn freiwillig würden seine Freunde – so glaubt jedenfalls Renaud – keine Verbrechen begehen.
„Die Gefangenen der Zeit“
Der bösartige Hintermann der Überfälle auf die Großen ist immer noch aktiv und bedroht nun unmittelbar den Frieden in Eslapion, auch wenn sein Größenwahn sein verbrecherisches Geschick noch übersteigt. Dennoch muss der Kerl dingfest gemacht werden, denn wer weiß, welche Blüten sein Wahn noch treiben wird. Daher macht sich unter anderem Renaud an die Verfolgung des Durchgeknallten und findet sich plötzlich in einer unterirdischen Miniatur-Höhlenwelt wieder, in der kleine Dinosaurier viele Äonen überlebt haben. Und nicht nur das: ein merkwürdiges futuristisches Gebäude zeugt von Menschen einer hohen Zivilisationsstufe.
Was spätestens in diesem Band, aber auch schon im fünften Album, deutlich wird, ist handlungsseitig ein fehlender roter Faden. Autor Mittéï bedient sich mit beiden Händen aus dem reichhaltigen Fundus phantastischer Themen bis hin zu einem Verne'schen Hohlwelt-Ansatz, der Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts im Comic-Genre beispielsweise in der US-Serie „The Warlord“ für Furore sorgte. Über die ganze Abenteuerei in einer Realität voller Verbrechen und Verbrecher geht etwas der Charme und Witz verloren, der gerade aus der Konfrontation der Minis mit den Fährnissen einer für sie viel zu großen Welt resultieren könnte und der nur noch sporadisch innerhalb der actionlastigen Geschichten aufblitzt.
Großartig ist hingegen nach wie vor Serons Artwork, das von Album zu Album scheinbar leichter, präziser und besser zu werden scheint und das bis in die Nebencharaktere hinein mit eigenständigen, knollnasig-markanten Figuren aufwartet, die man selbst dann lieben muss, wenn sie Böses im Schilde führen.
Als kleines redaktionelles Schmankerl werfen Bernd Weckwert und Volker Harmann diesmal in einem ersten Teil einen Blick auf die Veröffentlichungshistorie der Minimenschen bei Kauka und Bastei und fördern so grausliche Verstümmelungen seitens der Lizenznehmer zutage, dass jeder Comic-Fan heute die Hände über den Kopf zusammenschlägt. Das Bemerkenswerte jedoch ist, dass trotz des Schindluders, der damals mit Serons Werken getrieben wurde, wir – die Leser – die Sachen dennoch irgendwie gut fanden.
Fazit: Actionlastige, abenteuerliche Geschichten, in denen sich Spannung und Komik die Klinke in die Hand geben.