Terry Pratchett: Alles Sense (Buch)

Terry Pratchett
Alles Sense
(Reaper Man)
Aus dem Englischen übersetzt von Regina Rawlinson
Titelillustration von Tom Steyer
Manhattan, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 318 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-442-54696-1

Von Carsten Kuhr

Die Bürokratie überlebt alles und beherrscht jeden. Das muss auch TOD, seines Zeichens eigentlich mächtigstes Wesen der Scheibenwelt, erfahren. Da hat er doch wirklich Jahrhunderte, ach was rede ich denn da, Jahrtausende, Äonen lang seinen Dienst pflichtbewusst versehen, Seelen ins Jenseits geleitet und dafür gesorgt, dass alles seinen geordneten Gang geht, und dann will ihn die Verwaltung der Realität einfach in den Ruhestand schicken.

Plötzlich und bestimmt mehr als unerwartet hält er seine eigene Lebens-Sanduhr in knochigen Händen – und weiß, dass seine Zeit plötzlich messbar geworden ist, dass sie droht abzulaufen, ohne dass er wirklich gelebt hätte. So macht TOD sich, begleitet von seinem treuen Pferd, auf, als Erntehelfer seine Bestimmung im Leben zu finden. Zwar ist seine Variante, jeden Halm einzeln zu mähen, etwas ungewöhnlich, seine ewige Erfahrung im Senseschwingen aber kommt ihm zupass, so dass er selbst die größten Felder in Rekordzeit niedermacht. Als aber sein Nachfolger, ein arrogantes Ekelpaket, auftaucht, ist endgültig Schluss mit lustig – der soll sein Erbe antreten? So geht das nicht…

Währenddessen merkt man auch in Angk-Morpork, dass etwas nicht ganz in Ordnung zu sein scheint. Da wollen verstorbene Zauberer einfach nicht tot bleiben, fordern unerwartet ihre bereits wieder vergebenen Räumlichkeiten an der Unsichtbaren Universität von deren neuen Bewohnern zurück, tauchen kleine Glaskugeln und mit Rädern versehener Drahtkörbe auf, und macht sich ein Zuviel an Leben allerorts bemerkbar. Gut dass es die Selbsthilfegruppe der Untoten wenigstens versucht, die schlimmsten Auswüchse und Depressionen zu regeln…

Was kann man zu vorliegendem Roman sagen? Schon in der Erstübersetzung bot „Alles Sense“ das, was die Fans TPerrys von ihm und seiner Schöpfung erwarten: hintergründigen Humor, jede Menge skurriler Ideen, umwerfende Komik und eine rasante Lektüre. Das ist in der sorgfältig überarbeiteten Übertragung nicht anders, allenfalls noch ein wenig differenzierter geworden. Zwischentöne werden deutlicher, die immer im Hintergrund lauernde Gesellschaftskritik wird deutlicher, das Hintergründige erfahrbarer. Der Text liest sich flüssig und auf einen Rutsch durch, die Änderungen sind unauffällig, aber merkbar, auch wenn ich die Erstübertragung von Andreas Brandhorst auch nicht schlecht fand.

Skurrile Ideen, zwerchfelltrainierende Situationskomödie und unterschwellige Gesellschaftskritik verbinden sich auf gerade exemplarische Art und Weise zu einem der gelungensten Romane der Reihe. Wie gehen wir mit dem Tod, wie mit dem Leben um, was bedeutet ein erfülltes Leben für uns, Fragen, die sich damals wie heute der Autor und seine Leser stellen. Wenn es tatsächlich Leser geben sollte, die bislang an Terry Pratchetts Meisterwerken vorbeigingen, so könnten sie schlechteres tun, als mit „Alles Sense“ in die Handlung einzusteigen. Vorkenntnisse sind nicht von Nöten, auch wenn es natürlich Verweise auf andere Romane und Figuren gibt, wenn man tief eintaucht in die magisch-realistische Welt des Terry Pratchett.