Meljean Brook: Wilde Sehnsucht – Die Eiserne See 1 (Buch)

Meljean Brook
Wilde Sehnsucht
Die Eiserne See 1
(The Iron Duke)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Beate Bauer
Titelillustration von bürosüd
Lyx, 2011, Taschenbuch mit Klappenbroschur 480 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-8025-8606-4 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Gut zweihundert Jahre ist es her, dass die Horde, mongolische Invasoren, sich Europa untertan gemacht hat. Mit ihren überlegenen technischen Erfindungen haben sie den Kontinent förmlich überrollt, ihre Naniten, die nicht nur Krankheiten bekämpfen und verlorene Gliedmaßen ersetze, sondern auch Gefühle unterdrücken, erwiesen sich dabei gleichzeitig als Segen und Folterwerkzeug. Den Wenigen, denen die Flucht aus England nach Manhattan gelang, entgingen der Besatzung und Versklavung. Die, die zurückblieben, die so genannten Bugger, arrangierten sich.

Nach dem erfolgreichen Aufstand hat sich die Lage fast wieder normalisiert. Die einst Geflohenen sind zurückgekehrt, protzen mit ihrem Reichtum, während die Bugger kaum wissen, wie sie ihre knurrenden Mägen füllen können. Als Erbe der Besetzung blieb die Zerstörung der Familie. Kinder wachsen in Horten auf, die Ehe als Institution ist passee, Frauen sind als billige Arbeitskräfte aus dem Wirtschaftskreislauf nicht mehr wegzudenken.

Lady Mina Wentworth wird als Halbmongolin allseits angefeindet. Nur ihre Stellung als Kriminalkommissarin erlaubt es ihr, halbwegs unbehelligt die Straßen Londons zu betreten. Eines Tages wird sie mitten aus einem Ball zur Pflicht gerufen. Aus einem Luftschiff wird eine tiefgefrorene Leiche auf das Anwesen des Herzogs Rhys Trahaerans, des Befreiers von London, geworfen. Als Mina den ehemaligen Piraten das erste Mal begegnet, ahnt sie, dass dieser das Verbrechen selbst lösen, die Bestrafung in seine Hände nehmen will. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach den Verbrechern, stoßen dabei auf ein gigantisches Komplott, das ganz England bedroht, fliegen mit einem Luftschiff gen Afrika und legen sich mit der allmächtigen Marine an. Doch allen Widrigkeiten, Gefahren und Abenteuern zum Trotz mischt sich immer wieder die unterdrückte Libido ein – denn Rhys ist gar zu verzückt von der Inspektorin…

Naniten und Eisenmänner, Luftschiffe und künstliche Gliedmaßen – der Fantasy-Fan weiß, was die Stunde geschlagen hat. Einmal mehr erhebt ein neuer Verfasser seine, in diesem Fall ihre Stimme, um dem Kanon des Steampunks ein neues, eigenes Gesicht hinzuzufügen. Und was den Leser in den ersten fast dreihundert Seiten hier erwartet, das ist nicht von schlechten Eltern. Auf ganz eigenen Spuren wandelnd berichtet uns die Autorin von den Auswirkungen der fernöstlichen Invasion des Okzidents und des Orients, von dem Niedergang Kontinentaleuropas, der Heimsuchung Afrikas und der europäischen Reiche durch Zombies und vom befreiten England. Gerade in der Ausgestaltung ihrer Welt, mit ihrer geopolitischen Neuordnung aber auch dem Einsatz von Naniten als die Menschheit verändernde, verbessernde Mittel, geht Brook hier eigene Wege. Und diese wissen in ihren Einzelheiten durchaus zu faszinieren und zu überzeugen. Dafür erfährt der Leser so gut wie nichts über das, was sonstige Steampunk-Bücher beherrscht. Die Kleidung und die Lebenskunst des Adels bleibt weitgehend außen vor. Stattdessen begegnen uns charismatische Menschen voller Ecken und Kanten. Sowohl unsere Ermittlerin im Dienste der Krone, die von Pflichtbewusstsein aber auch von moralischer Integrität geprägt ist, als auch der verehrte Befreier vom Joch der Horde, werden sympathisch gezeichnet und agieren, in ihrem jeweiligen Umfeld, überzeugend. Auch wenn Vieles oberflächlich bleibt, nimmt uns die abwechslungsreiche Handlung mit Luft- und Schiffsgefechten mit Verrat und Intrigen gefangen.

Im letzten Viertel des Romans aber driftet selbiger dann in die Niederungen von plakativ beschriebenem Sex ab. Nicht, dass ich an entsprechenden, stimmungsvollen Beschreibungen nicht meine Freude hätte, doch das hier Gebotene wirkt aufgesetzt, mehr als Fremdkörper in die Handlung hineingeschrieben als wirklich Bestandteil des Buches zu sein. Hätte sich die Autorin hier ein wenig beschränkt, hätte es dem Text gut getan. So bleibt ein etwas schaler Geschmack zurück, versucht sie, obwohl eigentlich unnötig, ihren Plot mit den plumpen Bettgeschichten aufzupeppen, obwohl dies kaum in die Handlung passt.