Wonderland 4: Geschichten aus dem Wunderland (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 20. Oktober 2011 18:46

Raven Gregory, Ralf Tedesco & Joe Brusha
Wonderland 4
Geschichten aus dem Wunderland
(Tales from Wonderland Vol. 1, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Titelbild von J. Scott Campbell
Zeichnungen von Daniel Leister, Jie Dodd & Vic Drujinio
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 104 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-86201-086-8
Von Christel Scheja
In „Wonderland“ erschufen Raven Gregory, Ralf Tedesco & Joe Brusha ein nicht gerade nettes und kindergerechtes Wunderland. Stattdessen breiteten sie vor der jungen Heldin und dem Leser ein Horror-Szenario aus, das es in sich hatte. Die Reihe ist mit der dritten Graphic Novel abgeschlossen, dennoch bietet das Pervertierte, das so wie gar nichts mehr mit Lewis Carrolls Visionen zu tun hat, viel Raum für weitere düstere Phantasien, die nun in „Geschichten aus dem Wunderland“ ausgelebt werden.
Es waren einmal zwei Schwestern, die sich auch schon auf der Erde nicht besonders mochten und nicht miteinander zurechtkamen. Immer wieder stritten sie sich um Kleinigkeiten und wollten die andere übervorteilen. Bis zu dem Tag, an dem sie durch einen ganz besonderen magischen Spiegel stürzen und sich in einer bizarren Welt wiederfinden. Nun versuchen sie zusammenzuhalten, aber das Wunderland hat mit ihnen ganz andere Pläne – vor allem mit derjenigen Schwester, die im Besonderen die Bedeutung roter Rosen kennt.
„Der verrückte Hutmacher“ ist ein Mann, der sich unversehens im Wunderland wiederfindet, weil er ahnt, dass sein Sohn dorthin verschwunden ist. Doch was er findet ist mehr oder weniger das Grauen.
„Alice“ ist eines der vielen Mädchen, das dem Wunderland geopfert werden soll. Doch ihre Eltern rechnen nicht damit, dass die Kleine schon nach kurzer Zeit wieder zurück ist. Wie aber ist sie dem Wunderland entkommen? Und ist sie es wirklich?
„Das Experiment“ scheint nur eine Kurzgeschichte zu sein. Aber die Versuche eines Wissenschaftlers sind weit mehr als kranke Hirngespinste eines wirren Geistes – nämlich ein weiteres Schlupfloch der düsteren Mächte, die nur auf einen Ausbruch lauern.
Tatsächlich fügen sich die Geschichten, die sich nun mehr auf die zentralen Figuren des Wunderlandes wie die Herzkönigin und den verrückten Hutmacher konzentrieren und auch den Alice-Mythos genauer beleuchten, sehr gut in den bereits vorhandenen Kosmos ein. Vor allem die erste Geschichte lässt den Leser schaudern, kommt die boshafte Natur der Herzkönigin doch nicht von ungefähr, denn die Anlangen zeigt sie schon als ganz normales Mädchen. Hier wird nur seziert, was sie letztendlich so irre macht. Ähnliches trifft auf den Hutmacher zu, der allerdings ein eher jämmerliches Ende nimmt. Kryptisch bleibt jedoch die Geschichte von Alice, die sich mit der von Caroll-Anns Mutter verwebt und zeigt, dass die Grundsteine für die Entwicklung der „Wonderland“-Saga nicht von ungefähr kommen.
Das alles wird wieder sehr blutig in Szene gesetzt – vor allem scheinen es die Autoren diesmal zu lieben, sich in Würmern und Widerwärtigkeiten zu suhlen. Die Altersempfehlung kommt daher nicht von ungefähr, die Geschichten richten sich an Leser, die blutige Horror-Szenarien gewohnt sind und nicht an zarte Gemüter.
Alles in allem sind die Geschichten jedoch nur für die Leser verständlich, die mindestens eine der drei vorhergehenden Graphic-Novels kennen und wissen, warum das „Wunderland“ so anders ist als wie in den Kindergeschichten. Nur in diesem Fall sind sie unterhaltsam und informativ, gibt es doch viele Anspielungen und Querverweise auf spätere Ereignisse in der Serie.
Die „Geschichten aus dem Wunderland“bieten die gleiche bitterböse und blutige Unterhaltung wie schon die eigentliche Geschichte. Vor allem Fans, die mehr über das düstere Horror-Szenario und seine Hintergründe erfahren wollen, werden hier zufrieden gestellt. Wer mit den Erzählungen einzusteigen versucht, wird eher enttäuscht werden, da zu viele der Abweichungen von der Vorlage als bekannt vorausgesetzt werden.