Ulrike Schweikert: Vyrad – Die Erben der Nacht 5 (Buch)

Ulrike Schweikert
Vyrad
Die Erben der Nacht 5
Titelgestaltung von Nele Schütz Design unter Verwendung einer Illustration von Paolo Barbieri
cbt, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, Jugendbuch, 576 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-579-30655-0

Von Irene Salzmann

Um den drohenden Untergang ihrer Art zu verhindern, kamen die verfeindeten Vampir-Clans überein, ihren Erben alles Wissen zukommen zu lassen, das ihnen vielleicht helfen wird, in der Welt des modernen Menschen zu bestehen. Nachdem die Kinder und Jugendlichen nun schon bei den Nosferas in Rom, den Lycana in Irland, den Pyras in Paris und den Dracas in Wien lernten, weilen sie nun als Gäste in London bei den Vyrad.

Für Alisa gibt es ein Wiedersehen mit Malcom, der seit dem vergangenen Jahr nicht mehr zu der Gruppe gehört, da er seine ‚Bluttaufe‘ erhielt und damit als Erwachsener gilt. Sie ahnt nicht, dass ihre harmlose Freundschaft von Leo völlig missverstanden wird und seine Eifersucht ihre Liebe bedroht. Umgekehrt deutet aber auch sie einen Wortwechsel von Leo mit Ivy-Máire völlig falsch, so dass beide einander abweisend begegnen und eine Aussprache unmöglich scheint.

Vermittlung gibt es keine, denn Luciano ist damit beschäftigt, Clarissa, die er, um ihr Leben zu retten, gewandelt hat, davon zu überzeugen, dass er sie liebt und nicht bloß als Sklavin an seiner Seite haben möchte. Auch Malcom, der einer Auseinandersetzung mit Leo zwar nicht aus dem Weg geht, denkt nur an Latona, die er mit ihrer Zustimmung wandeln wollte, wäre sie nicht plötzlich verschwunden. Ivy nutzt diese Konflikte sogar, um ihren eigenen Plan voranzutreiben.

Denn Dracula, der Vater aller Vampire, will immer noch die Frau, die er über alles liebte, reanimieren und Ivy zur Mutter einer neuen, stärkeren Generation Blutsauger machen. Zunehmend entfremdet sich die irische ‚Servientin‘ von ihrem Bruder, dem Werwolf Seymour, und ihren Freunden. Ist ihr riskantes Vorhaben das wirklich wert? Und bringt es tatsächlich die Befreiung?

„Vyrad“ ist die lang ersehnte Fortsetzung der „Erben den Nacht“-Reihe von Ulrike Schweikert. An sich kann man den Roman ohne Vorkenntnisse lesen, da ein in sich abgeschlossenes Abenteuer geboten wird, doch in den vier vorherigen Büchern ist schon so viel passiert, worauf hin und wieder Bezug genommen wird – wie zum Beispiel die sich entwickelnden Beziehungen der Protagonisten untereinander, der eskalierende Konflikt mit Dracula, die unterschiedliche Behandlung der gewandelten Vampire (Servienten), Ivys sich ändernde Persönlichkeit –, dass man die Bände in chronologischer Folge gelesen haben sollte, um diese Feinheiten genießen zu können.

Die Serie ist weniger ein actionreiches, romantisches Drama als ein Einblick in die europäische Geschichte gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Autorin führt ihr Publikum durch die Metropolen Rom, Hamburg, Paris und London sowie nach Irland. Dank ihrer intensiven Vorort-Recherchen gelingt es ihr, die Lokalitäten und das damalige Milieu anschaulich zu beschreiben, bedeutsame historische Ereignisse und Persönlichkeiten einzuflechten, darunter Bram Stoker, Oscar Wilde, Lord Byron und Jack the Ripper, ferner auf politische und gesellschaftliche Probleme einzugehen.

So interessant das auch ist, es nimmt viel Tempo aus einer Handlung, die darüber hinaus den Lerneifer der jungen Vampire dokumentiert, welche sich stets neue Fähigkeiten aneignen, und schildert, wie aus Kameradschaft Freundschaft und schließlich Liebe wird. Wirklich spannende Momente sind – vor allem in diesem Buch – eher Mangelware, denn es gibt nur kleine Höhepunkte wie das Duell zwischen Luciano und Lord Byron um Clarissas Ehre. Dass es zu einem Kampf mit Dracula kommen würde, war abzusehen, doch die Art und Weise, wie ihm Ivy eine Falle stellt, in die er auch prompt hinein tappt, wirkt holprig und wenig überzeugend. Das Ende kommt darum nicht unerwartet – beinhaltet jedoch einen Cliffhanger, der vermuten lässt, dass es im nächsten Roman eine dicke Überraschung geben wird.

Tatsächlich stünde noch das Lehrjahr bei den Vamalia aus, das abgebrochen und bei den Pyras abgehalten wurde. Allerdings haben die jungen Vampire ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, die Paare haben sich größtenteils gefunden… Was könnte außer der vagen Hoffnung, dass die Auseinandersetzung mit Dracula nicht das Ende war, noch thematisiert werden? Man darf also gespannt sein!

Die Bücher über „Die Erben der Nacht“ erscheinen als Jugendromane bei cbt, sprechen jedoch auch die reifere Leserschaft an: Die geschichtlichen Ausführungen sind sehr interessant, die Einbindung historischer Persönlichkeiten ist gelungen, die jungen Protagonisten sind individuell charakterisiert und sympathisch. Die eigentliche Handlung, die auf den Showdown mit Dracula hinarbeitet, zerfasert leider, da die Beschreibungen der britischen Rechtssprechung, das Erlernen neuer Fähigkeiten, die persönlichen Konflikte und Ivys betont geheimnisvolles, nicht immer nachvollziehbares Agieren dazu dienen, den Kampf aufschieben, der schließlich auf wenigen Seiten weniger dramatisch verläuft, als erwartet.

In Konsequenz ist „Vyrad“ zwar ein weiteres atmosphärisch dichtes, unterhaltsames und informatives Abenteuer, das sich nahtlos in die Reihe einfügt, aber es wirkt schwächer als die übrigen Bände, da einfach zu viel doziert und vor allem gezickt wird.