Jeffrey Thomas: Tagebuch aus der Hölle (Buch)

Jeffrey Thomas
Tagebuch aus der Hölle
(Letters from Hades)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Doris Hummel
Titel- und Innenillustrationen von Tomasz Kopera
Festa, 2011, Taschenbuch, 264 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-096-8

Von Carsten Kuhr

Sie kennen die Bibel und wissen, dass Ihnen nach dem Tod das ewige Leben entweder im Himmel oder in der Hölle versprochen ist? Dante hat einst sehr anschaulich von der ewigen Marter in den Kreisen der Letzteren fabuliert, doch so richtig ist unser Ich-Erzähler, ein erfolgloser Autor der Selbstmord begangen hat, nicht auf das vorbereitet, was ihn nach seinem Ableben erwartet.

Als bekennender Agnostiker dachte er einst, dass nach dem Tod das ewige Nichts, das Vergessen kommen würde. Als er dann in einem weiß gekachelten Raum zu sich kommt und zunächst eine Akademie des Leidens und der Schmerzen durchlaufen muss, ahnt er, dass seine bisherige Überzeugung zu hinterfragen ist. Gott persönlich hat die Hölle zur Strafe für die Ungläubigen geschaffen, eine Hölle aber, die mit der Dante´schen Version herzlich wenig gemein hat. Verbindendes Glied ist das Leiden – die von Dämonen aber auch Engeln auf Jagdurlaub gemarterten Seelen können nicht vergehen. So erwachen die Hingeschlachteten immer wieder von Neuem in ihren Körpern, die sich schmerzhaft zwar, aber langsam von jeder Verletzung regenerieren.

Nach dem erfolgreichen, sprich: schmerzhaften Abschluss der Akademie macht sich unser Berichterstatter auf seinen Weg durch die Hölle. Verfolgt von unterschiedlichsten Dämonen und Engeln trifft er dabei auf gemarterte Seelen, ganze Dörfer, die bis zum freiliegenden Kopf in Lavamassen eingeschlossen sind, auf Ernter, die die Köpfe absäbeln und auf eine gekreuzigte Dämonin.

Statt sich an dem Anblick der gemarterten Dämonin zu ergötzen – mangels Seelen können die Dämonen endgültig sterben – beschließt er, einem Impuls folgend die Gemarterte zu befreien. Die selbstlose Tat spricht sich in der Stadt, die er kurz danach erreicht, herum. Während um ihm herum Menschen ihre Körper für Folterungen verkaufen, ihr Fleisch dem örtlichen Metzger als saftige Steaks anbieten – schließlich wächst ja alles wieder nach – sucht unser Protagonist seinen Platz in der Gesellschaft der Geknechteten. Als zwei auf einem Jagdausflug befindliche Engel die Dämonin, die er befreit hat unsittlich (!) anmachen, schreitet er ein. Verfolgt von den Engeln fliehen die beiden vor ihren Häschern…

Thomas Jeffreys Frühwerk räumt gnadenlos mit alten Zöpfen auf. Der Autor stellt uns in seinem in Tagebuchform verfassten Roman eine Hölle – und damit naturgemäß auch einen Gott – vor, die etwas anders sind, als uns die Kirche glauben machen will. Selbst eine geplagte Seele, ist er beileibe nicht der nette alte Mann mit dem Rauschbart. Statt Vergebung, Friede, Freude, Eierkuchen misst er mit gar strengem Maß, ist er doch mangels Teufel auch für die Hölle zuständig. Wer innerlich fest an ihn glaubte, der kommt in den Himmel, findet dort ein recht weltliches Elysium, auf alle snderen, ganz gleich ob sie vor dem Christentum gelebt, andere Religionen angehört, oder sich von ihm abgewandt haben, wartet die ewige Marter.

Ebenso bitterböse wie einfallsreich hat Jeffrey dabei seine Hölle ausgestaltet. Kongenial durch die vielen schwarzweiß Illustrationen auch bildlich umgesetzt erwartet den Leser ein Ort des Schmerzes, der Folter aber auch des merkantilen Einfallsreichtum der Menschen. Da tragen die Gemarterten buchstäblich ihre Haut, ihr Fleisch und ihre Leidensfähigkeit zu Markte, hat sich eine Schattenwirtschaft etabliert, die vom Profitstreben der Menschen beredt Zeugnis ablegt.

Das ist zeitgemäß und innovativ, in sich überraschend glaubwürdig und despektierlich, und liest sich in der sehr gelungenen Übersetzung von Doris Hummel angenehm und spannend auf einen Rutsch durch.