Marvin Roth: Hanky und der Mächtige (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 09. September 2011 09:39
Marvin Roth
Hanky und der Mächtige
Hanky 2
Titelillustration von Arndt Drechsler
FanPro, 2011, Taschenbuch, 398 Seiten, 10,00 EUR, ISBN 978-3-89064-998-6
Von Armin Möhle
„Hanky und der Mächtige“ ist der zweite Roman Marvin Roths, der in den USA lebt und schreibt, aber in Deutschland veröffentlicht. Wie bereits in seinem Debütroman „Hanky und der Tausendschläfer“ steht auch in dem vorliegenden Roman, wie der Titel bereits unmissverständlich deutlich macht, Hanky Berson im Mittelpunkt der Handlung. In „Hanky und der Tausendschläfer“ war er zunächst ein dreißigjähriger Mann mit dem intellektuellen Niveau eines Kleinkindes. Durch den Kontakt mit dem „Tausendschläfer“, einem außerirdischen Wesen, das geraume Zeit auf der Erde ruhte (nomen est omen!), erfährt Hanky einen Entwicklungssprung, der ihn zu einem Telepathen macht. In „Hanky und der Mächtige“ nimmt er den Kampf gegen jenes Wesen auf.
„Hanky und der Mächtige“ spielt etwa Jahr nach den Ereignissen im ersten Band. Hanky lebt in New York und erhält einen Brief des FBI-Agenten Roger Thorn, in dem er von seinen Ermittlungen in einer Mordserie berichtet, die ihn in die bewaffnete, nationalistische Gruppe ‚Phönix‘ führte, die offenbar von FBI-Mitarbeitern und Regierungsmitgliedern unterstützt wird (ein Phänomen, das bereits Scully und Mulder eine Reihe von Problemen bereitete!) und verbrecherische Experimente an Menschen durchführt. Hanky beginnt, gegen ‚Phönix‘ zu ermitteln, nicht nur mit Roger Thorn sondern auch mit seinen Freunden Walter Kessler und Paul Green, dem Journalisten Richard Miller und seiner Ehefrau Rita. Sie decken eine Verschwörung von überlebenden Nazis auf, die die Macht in den USA übernehmen wollen.
Es geschieht natürlich noch mehr in dem Roman: Schießereien zwischen der Polizei und den Verschwörern, Einsätze von geheimen Kommandotrupps und von Elitesoldaten, ein blutiger Machtkampf in den Reihen der Nazis. Das mutet klischeehaft an und ändert auch nichts daran, dass „Hanky und der Mächtige“ ein schwafeliger Roman ist. Es scheint, als wäre der Autor dermaßen verliebt in seine Schreibe, dass er sich nicht dazu überwinden konnte, den Roman auf eine Länge zu kürzen, die dem absurden Plot angemessen ist. Selbst wenn die Nazis die Regierung der USA ausschalten könnten, würden eine Unzahl von nachgeordneten Dienststellen, die Bundesstaaten und vor allem die Streitkräfte verbleiben, die sicherlich keine Söldnermentalität an den Tag legen würden. Andererseits entspricht dieser Plan, zugegeben, durchaus der Selbstüberschätzung, die die Nazis in der realen Welt und Historie gezeigt haben.
Auch ihre verbrecherischen Experimente setzen die Nazis in „Hanky und der Mächtige“ fort. Das müssen sie, denn anderenfalls wären sie zur Zeit der Handlung nicht mehr am Leben ... Doch anstatt dies als literarische Konstruktion, die den Lesern wohl das Gruseln lehren soll, schlicht für sich stehen zu lassen, bemüht sich der Autor um Political Correctness, verliert sich aber nur in Selbstverständlichkeiten: „Die Konfrontation mit den damaligen Geschehnissen (im Zweiten Weltkrieg und vorher, Anm. des Rezensenten) hat Hilflosigkeit in mir erzeugt, die sich nach einiger Zeit in Abscheu gegen fundamentalistischen Terror jeder Art verwandelte“ (Seite 397). Der Autor zeigt außerdem stilistische (Wortwiederholungen in kurzen Abständen) und handwerkliche Schwächen; so deckt nicht etwa Hanky die Identität des „Mächtigen“ auf, sondern der Autor unvermittelt, zu Beginn eines neuen Kapitels, selbst. Die Protagonisten, besonders Hanky und seine Mitstreiter, werden nicht einmal ansatzweise charakterisiert. Wie die Nazis und ihre Schergen dargestellt werden, liegt auf der Hand, ist aber genauso eindimensional. Die PSI-Fähigkeiten diverser Protagonisten – neben Hanky auch Walter Kessler, der die Telekinese zu beherrschen beginnt, und Paul Green, der als „indianischer Traumseher“, Seite 5) durch Raum und Zeit reisen kann –, die in dem Kampf gegen die Nazis eingesetzt werden, lassen „Hanky und der Mächtige“ phasenweise als niedergeschriebener Comic erscheinen.
„Hanky und der Mächtige“ scheitert nicht an einer unsensiblen Behandlung des Nazi-Themas, sondern an seinen zahlreichen (anderen) Mängeln.