Mead, Richelle: Schattenträume – Vampire Academy 3 (Buch)

Richelle Mead
Schattenträume
Vampire Academy 3
(Shadow Kiss)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michaela Link
Titelillustration von Anna Lyubimtseva
Lyx, 2009, Paperback mit Klappenbroschur 378 Seiten, 12,95 UER, ISBN 978-3-8000-8203-5

Von Irene Salzmann

Rose Hathaway ist 17 Jahre alt, eine Dhampir – und schon mehrmals aufgefallen, aber nicht nur an der »Vampire Academy«. Darum gibt es einige Personen, die sie im Visier haben und wohl auch dahinterstecken, dass sie unmittelbar vor den Abschlussprüfungen nicht ihrer Freundin Lissa Dragomir als Wächterin zugeteilt wird sondern Christian Ozera, den die Gemeinschaft der Moroi isoliert hat, weil seine Eltern freiwillig zu Strigoi wurden. Das stört Rose nicht im Geringsten, aber sie ist eifersüchtig auf seine Beziehung zu Lissa, mit der sie ein geistiges Band teilt, welches es Rose ermöglicht, der Freundin zu Hilfe zu eilen, wenn Gefahr droht, das aber auch private Momente preisgibt, von denen sie nichts wissen möchte.

Zähneknirschend fügt sich Rose; es bleibt ihr ohnehin nichts anderes übrig, will sie ihre Karriere nicht gefährden. Aber sie hat ein ungutes Gefühl, denn Lissa scheint sich von ihr zu entfernen. Tatsächlich zieht die Freundin in Erwägung, an den Hof der Vampirkönigin zu gehen und dort ein Studium zu beginnen. Für Rose würde das bedeuten, nicht gar so viel Zeit mit ihr verbringen zu können, dafür aber mehr gemeinsame Stunden mit Lissas zweitem Wächter Dimitri Belkov, ihrem bisherigen Mentor, genießen zu dürfen. Aber sind sie wirklich fähig, die Pflicht über ihre persönlichen Wünsche und Gefühle zu stellen – oder bringt die Arbeit den Verzicht? Die haltlosen Vorwürfe, die die Königin ihr macht, hätte Rose jedoch niemals erwartet, betreffen sie doch einen anderen.
Und noch etwas macht ihr zu schaffen: Seit einer Weile hat sie Visionen von Mason Ashford, mit dem sie sehr gut befreundet war und der bei der Verfolgung einiger Strigoi ums Leben kam. Aber Rose kann sich niemandem anvertrauen, da sie befürchtet, man würde sie dann nicht zu den Prüfungen zulassen. Rose versucht, einen Sinn in Masons Erscheinungen zu erkennen, doch bis sie versteht, ist es fast schon zu spät, denn die Strigoi haben die Schwachstellen im Sicherheitssystem der »Vampire Academy« erkannt und greifen an.
Nachdem einige Moroi bereits dafür plädierten, ihre magischen Kräfte im Kampf einzusetzen, statt sich immer nur von den Dhampiren beschützen zu lassen, erweist sich die Kombination ihrer Kräfte als wirksam genug, die Feinde zu vertreiben. Allerdings sind zahlreiche Opfer zu beklagen, und die Strigoi können mehrere Geiseln mit sich nehmen. Während des verzweifelten Befreiungsmanövers verliert Rose die Person, die ihr das Meiste bedeutet …

»Vampire Academy« ist eine der spannendsten und unterhaltsamsten Paranormal Romances, die bei Lyx erscheinen, was zum einen dem Umstand zu verdanken ist, dass die Beziehungen unaufdringlich in eine richtige Handlung integriert wurden und das Setting einen ausgewogenen Mix aus Phantastik, Action und Soap zulässt, wie man ihn zum Beispiel von den »X-Men«, »Roswell oder »Space 2063« kennt.
Man wird in eine Parallelwelt hineingezogen, in der Menschen und die verschiedenen Vampir-Arten nebeneinander leben. Dabei greift die Autorin gleichermaßen auf bekannte und neue Motive zurück, wodurch die Wesen der Dunkelheit wieder einige Facetten hinzu gewinnen. Sie unterscheidet zwischen Strigoi, den Untoten ohne spezielle Fähigkeiten, die skrupellos morden, den Moroi, die sich mit ihren menschlichen Blutspendern arrangiert haben und Psi-Kräfte besitzen, sowie den Dhampiren, Mischlingen aus Moroi und Mensch, die sich nur mit Hilfe der Moroi fortpflanzen können und ihnen als Beschützer dienen. Die Ursache für den Konflikt zwischen Strigoi und Moroi, der über ihre verschiedenen Anschauungen hinausgeht, wurde noch nicht erläutert.
Die Charaktere sind jung und sympathisch beziehungsweise erfüllen ihre Rollen und verleihen der Handlung oft eine unerwartete Wende. Im Mittelpunkt steht die ehrgeizige und unkonventionelle Rose, die bereits eine Menge mehr überlebte als ihre Mitschüler. Durch ihre Impulsivität hat sie schon so manchen Ärger auf sich gezogen, aber auch Unheil verhindern können. Sie betreibt eine Gratwanderung; mal rutscht sie in die eine, mal in die andere Richtung ab. Als Leser nimmt man am Schicksal der Ich-Erzählerin Anteil, denn man erkennt frühzeitig, wann sie sich selbst ein Bein stellt, empfindet Verständnis, wenn sie zu Unrecht gemaßregelt oder angegriffen wird, und wartet gespannt, wann sich der Mann, den sie liebt, endlich zu ihr bekennt.
Man ahnt auch, dass das Glück nur von kurzer Dauer für Rose ist, da es im Vorfeld immer wieder winzige Hinweise gab. Letztlich muss sie eine schwere Entscheidung treffen, die ihrem Leben eine völlig neue Richtung geben könnte – und so endet der Band einerseits relativ abgeschlossen, aber doch mit einem Cliffhanger, der neugierig auf die Fortsetzung macht. Allerdings ist die Entwicklung innerhalb der Vampir-Gesellschaft nicht minder reizvoll, denn es gibt so viele Fragen, die vermutlich auch der nächste Band noch nicht vollständig beantworten wird.

Richelle Mead versteht es, ihre Leser zu fesseln mit einer gut durchdachten, komplexen Handlung und nachvollziehbaren Protagonisten. Die erotischen Szenen werden angedeutet und ungezwungen eingebunden. Von daher darf man die Serie weiblichen Genre-Fans ab 15 Jahre empfehlen. Aber auch das männliche Publikum kann ruhig einen Blick riskieren, denn die Action kommt ebenfalls nicht zu kurz.
»Vampire Academy« ist keineswegs eine von den vielen Vampir-Romanzen, die man gleich wieder vergisst, sondern darüberhinaus ein gelungener Horror-Roman, der wirklich grandiose Unterhaltung bietet und Lust auf mehr macht.