Jack Ketchum: Die Schwestern (Buch)

Jack Ketchum
Die Schwestern
(The Crossings)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Ben Sonntag
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2011, Paperback, 100 Seiten, 8,90 EUR, ISBN 978-3-941258-24-2

Von Irene Salzmann

Arizona 1848: Drei Männer, die der Zufall zusammenführte, stoßen auf zwei junge Frauen, die beide schwerverletzt sind. Eine stirbt auf dem Weg zur Hütte, die sich Mother Knuckles, John Charles Hart und Marion T. Bell teilen; die andere, Elena, erholt sich. Kurz darauf ist sie fort – mit einem guten Pferd und Harts Winchester.

Schnell holen die drei Elena ein und erfahren, was ihr zugestoßen ist und dass sie ihre Schwester Celine befreien will. Das Grauen, das sie durch ihre Geschichte auslöst, veranlasst die Männer, ihr beizustehen: Das Treiben der mysteriösen Valenzura-Schwestern, die hinter allem stecken und den alten Göttern Mexikos huldigen, soll ein Ende haben. Als sie das Versteck erreichen, müssen sie erkennen, dass die Qualen, die den entführten Frauen zugefügt werden, noch schlimmer sind, als befürchtet. Obwohl sie nur zu viert sind und ihre Chancen schlecht stehen, da gerade besonders viele Kunden den kultischen Handlungen beiwohnen und perverse Praktiken vollziehen, wollen sie angreifen und den Gefangenen zur Flucht verhelfen...

Im Vorwort erzählt Jack Ketchum, wie die Idee zu der vorliegenden Novelle geboren wurde. Im Nachwort stellt er sich außerdem den Fragen eines Interviewers, und es findet sich eine Betrachtung von Christian Endres, die sich mit dem Autor, seinen Werken und der Faszination, die das Grauen auf viele Leser ausübt, befasst. Tatsächlich ist „Die Schwestern“ kein Buch für ein zartbesaitetes Publikum. Die Protagonisten sind so dreckig und skrupellos, wie man sein muss, um in dieser Gegend und Zeit zu überleben. Der Reporter Marion T. Bell, aus dessen Sicht die Geschichte größtenteils erzählt – dokumentiert – wird, ist aus einem anderen Holz geschnitzt und hat Glück, dass sich die erfahrenen Männer seiner annehmen. Sein Pendant ist Celine, vor die sich schützend ihre Schwester zu stellen versucht. Auch Elena weiß, wann sie nachgeben und wann sie sich verteidigen muss, um am Leben zu bleiben.

Bei der Lektüre hat man die (Anti-) Helden der diversen Italo-Western vor Augen: Clint Eastwood, Charles Bronson, Klaus Kinski etc. Trotz der negativen Attribute zeichnen sich die Charaktere durch eine raue Kameradschaft und eine gewisse Art von Ehre aus, die sie nicht ganz unsympathisch macht. Das ist es auch, worin sie sich von ihren Gegnern unterscheiden, die sich nur aus einer Notwendigkeit mit Gleichgesinnten verbünden und sich ihrer danach schnell wieder entledigen, die keine Freundschaft und nur den eigenen Vorteil kennen. Ihre Perversionen sind widerlich und erschüttern nicht bloß die Leser, sondern auch hartgesottene Cowboys. Darum lassen sich auch drei Unbeteiligte auf etwas ein, das von Vornherein zum Scheitern verurteilt scheint. Es geht nicht allein um das Schicksal zweier junger Frauen und einiger anderer unglücklicher Opfer. Vielmehr muss etwas Böses gestoppt werden, das von den Valenzura-Schwestern und ihren Helfershelfern verkörpert wird und das die Männer sonst keine Ruhe mehr finden ließe. Es kommt zum klassischen Showdown, bei dem jeder die Ratio ausschaltet und über seine Möglichkeiten hinausgeht. Dass es nicht jeder ‚Gute‘ schafft, versteht sich von selbst.

Der Autor spart nicht mit grafischen Beschreibungen, obwohl diese nichts zum Handlungsverlauf beitragen – aber die Story ist von Jack Ketchum und bietet das, was sein Publikum erwartet. Zudem zählt der Mix aus Western und Horror nicht zu den Standards, so dass seine Fans und die Freunde dieser Art der Literatur durchaus mal ‚etwas anderes‘ in Händen halten und ganz auf ihre Kosten kommen.