Lynn Raven: Der Kuss des Kjer (Buch)

Lynn Raven
Der Kuss des Kjer
Titelgestaltung von zeichenpool unter Verwendung eines Motivs von Shutterstock (Raisa Kanareva, smilewithjul, Matty Symons)
cbt, 2010, Taschenbuch, 606 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-570-30489-1

Von Birgit Scherpe

Um seinen siechenden König zu retten, soll Mordan, der erste Heerführer der Kjer, eine junge Nivard-Heilerin entführen und zu ihm bringen, da nur diese ihm noch helfen könne. Eine gefährliche Aufgabe, denn schon seit vielen Jahren sind die Nivard und die Kjer bis aufs Blut verfeindet. Doch „Hören ist Gehorchen“, und so macht sich Mordan auf den Weg ins Land seiner Feinde, um die junge Frau zu finden.

Durch eine List schafft er es, die Heilerin Lijanas in seine Fänge zu bekommen, doch auf dem Weg zurück zu seinem König lauern viele Gefahren. Und die Zeit ist knapp, denn sollte er zu spät zum Hofe zurückkehren, ist sein Leben verwirkt.

Die junge Lijanas ist entsetzt. Eben noch wird sie zu einem Patienten gerufen – und schon findet sie sich in der Hand des Feindes wieder. Eine Flucht scheint unmöglich, und so ist sie gezwungen, dem finsteren Mordan auf dem Weg in sein Reicht zu folgen. Je näher sie jedoch ihren Entführer auf der Reise kennenlernt, desto mehr muss sie feststellen, dass Nivard und Kjer im Grunde genommen gar nicht so verschieden sind und dass unter seiner harten unnachgiebigen Schale ein weicher Kern ruht. So lernt sie die als Tiere verschrienen Kjer von einer Seite kennen, wie kein Nivard je zuvor. Und je weiter sie sich auf seine Heimat zubewegen, umso mehr muss Lijanas sich eingestehen, dass sie sich zu Mordan hingezogen fühlt. Doch welches dunkle Geheimnis umgibt ihn?

„Der Kuss des Kjer“ ist der sechste Roman der in Amerika geborenen, aber in Deutschland lebenden Schriftstellerin Lynn Raven, die auch unter dem Pseudonym Alex Morrin schreibt. Veröffentlicht wurde das Buch bei ctb für Jugendliche mit einer „Altersfreigabe“ ab 12 Jahre.

Zentrales Element der Handlung ist eindeutig die sich nach und nach entwickelnde Beziehung zwischen der jungen Lijananas und dem in sich gekehrten Mordan. Behutsam nähern sich diese auf ihrer langen und gefahrvollen Reise aneinander an, lernen ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede kennen und müssen am Ende feststellen, dass sie ohne einander nicht mehr sein können. Der eigentlich Hintergrund der Geschichte, die Rettung König Haffrens und das große Ritual, gehen hierbei leider ein wenig unter und werden, fast wie nachträglich angefügt, noch schnell auf den letzten 100 Seiten abgespult.

Die um die Liebesgeschichte herum gestaltete Fantasy-Welt ist allerdings sehr schön gelungen und so bildhaft und plastisch beschrieben, dass man als Leser kein Problem hat, sich die einzelnen Stationen der Reise Mordans und Lijanas vorzustellen. Hier zeigt sich definitiv die große Stärke der Autorin. Doch auch die Dialoge sind treffend und unterhaltsam geschrieben, so dass sich das Buch wunderbar leicht und flüssig weg lesen lässt.

Dennoch, „Der Kuss des Kjer“ ist ein Buch, das Bauchschmerzen hinterlässt. Die von der Autorin beabsichtigte Romantik einmal außen vorgelassen, ist es nämlich die Geschichte einer Frau, die entführt, bedroht und brutal geschlagen wird, von einem Mann, der für den Tod hunderter Unschuldiger verantwortlich ist. Und genau in diesen Mann verliebt sich die junge Frau und verzeiht ihm immer wieder Fehler, Schwächen und Grausamkeiten, weil sie ihre Liebe für wichtiger als alles andere hält. Eine etwas unpassende Botschaft, gerade für junge Leserinnen im Teenager-Alter, die in Sachen Herzensangelegenheiten sicher noch nicht so gut differenzieren können. Hier wäre ein wenig mehr Bedacht seitens der Autorin schön gewesen.

So ist „Der Kuss des Kjer“ alles in allem zwar eine schön geschriebene, leichte Fantasy-Lektüre, die vor allem jüngere weibliche Leser in ihren Bann schlagen dürfte, die aber am Ende doch irgendwie ein mulmiges Gefühl zurücklässt. Schade drum!