Ann Aguirre: Die Enklave (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 07. Juni 2011 20:42
Ann Aguirre
Die Enklave
(Enclave, 2010)
Aus dem Englischen von Michael Pfingstl
Blanvalet, 2011, Paperback, 350 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-442-26812-2
Von Gunther Barnewald
Der Roman spielt in einer düsteren Zukunft. Die Oberfläche der Erde scheint unbewohnbar geworden zu sein. Die letzten Überlebenden haben sich in die Stationen und Röhren der städtischen U-Bahnsysteme geflüchtet und halten dort notdürftig einen letzten Anschein von Zivilisation aufrecht, während sie immer wieder von wilden, menschenfressenden Mutanten angegriffen werden. Im alltäglichen Überlebenskampf ist sich jeder selbst der nächste und so hat die junge Jägerin mit dem Namen Zwei Glück, dass sie in einer der größten und stärksten Untergrundgruppen aufwächst und hier im Überlebenskampf geschult wird.
Als sie alt genug ist, auf die Suche nach Lebensmitteln zu gehen und die Gemeinschaft, die sich nach dem Namen ihrer Station, „College“, nennt, zu bewachen, bekommt sie einen Jungen namens Bleich an die Seite gestellt, welcher dereinst von außerhalb in die Station kam und heute deren bester und wildester Kämpfer ist. Mit ihm zieht die junge Frau aus, um das Schicksal einer Nachbarstation namens „Nassau“ zu erforschen, von der man, außer einem Hilferuf, nichts mehr gehört hat...
Wer sich bei dieser Inhaltsbeschreibung an Dmitry Glukhovskys Meisterwerk „Metro 2033“ erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch, denn gewisse Ähnlichkeiten lassen sich nicht abstreiten. Erstaunlich ist, dass der jungen Autorin dank ihres enormen Erzähltalents ein sehr unterhaltsames Werk glückt, welches zweifellos dem Motto folgt: Besser gut geklaut als schlecht selbst erfunden. So verwundert es auch nicht, dass die zweite Hälfte der Geschichte frappierende Ähnlichkeiten hat mit Cormac McCartys Roman „Die Straße“, denn die Jägerin und ihr Partner werden schließlich an die Oberfläche verbannt und lernen dort, dass ein Überleben hier wieder möglich ist (und wer nicht vorher schon durch die Namen der beiden U-Bahnstationen herausbekommen hat, wo die Geschichte spielt, erfährt dies am Ende der Erzählung auch noch).
Auch wenn man der Autorin zu recht vorwerfen kann, dass ihre Geschichte viel zu harmlos und zu wenig dystopisch ist, so ist es erfreulich, dass sich Aguirre bezüglich der im Klappentext angedrohten Liebesgeschichte stark zurückhält, keinen Kitschroman verfasst hat. Im Gegenteil, die Protagonisten überzeugen durch Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit.
Das vom Verlag im Klappentext ausgerufene Genre der „Romantischen Dystopien“ sollte man dagegen getrost schnell wieder vergessen, denn Romantik und Dystopien vertragen sich etwa genausogut, wie Wissenschaftlichkeit und Fantasy, nämlich gar nicht (diese Kombinationen sind zwar nicht per se unmöglich, aber doch zumindest so hanebüchen, dass sich die beiden völlig gegensätzlichen Elemente fast nur gegenseitig zerstören können, denn hätte die Autorin die angedeutete Liebesgeschichte intensiviert, wäre die Bedrohlichkeit und zerstörerische Aggressivität des gewählten Sujets einer Post-Doomsday-Gesellschaft völlig der Lächerlichkeit preisgegeben worden; zum Glück vermeidet Aguirre diesen Kardinalfehler).
Insgesamt ist „Die Enklave“ ein gelungenes Abenteuer, geschmeidige Unterhaltung, nicht mehr, aber auch nicht weniger, vergnüglich zu lesen, bestechend geschrieben. Und da Dmitry Glukhovsky sein Universum sowieso weltweit freigegeben hat, damit andere Autoren es bevölkern können, so scheint der vorliegende Roman die beste Wahl für einen dieser Romane zu sein!