Terry Pratchett: Voll im Bilde (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Juni 2011 10:19
Terry Pratchett
Voll im Bilde
(Moving Pictures)
Aus dem Englischen neu übersetzt von Gerald Jung
Titelillustration von Tom Steyer
Manhattan, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 382 Seiten, 14,99, ISBN 978-3-442-54690-9
Von Carsten Kuhr
Die Scheibenwelt ist ein gar merkwürdiger Ort. Sie liegt, wie alle flachen Welten, auf dem Rücken von vier Elefanten, die wiederum auf der gigantischen Schildkröte Groß-A´Tuin stehen und scheinbar ziellos durchs Weltall ziehen. Wir kennen sie mittlerweile zu Genüge, ja sie sind uns im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz gewachsen: TOD, Korporal Nobbs, der Patrizier, Oma Wetterwachs oder der skurrile Zauberer Ricewind. Dieses Mal aber stehen ganz andere Gestalten im Zentrum der Handlung.
Doch beginnen wir am Anfang: Ein paar kurze Kutschenstunden von Ankh-Morpork entfernt liegt ein kleines, verschlafenes Provinznest mit dem anheimelnden Namen Holy Wood. Was man dem „heiligen Wald“ nicht ansieht ist, dass dort etwas lauert, das die Welt an sich auf den Kopf stellen kann – im wahrsten Sinne des Wortes. Als der Wächter das Zeitliche segnet, öffnet sich das dort befindliche Tor, und ein lange verschlossener Zugang öffnet sich. Nicht ein einzelner Mann ist es, sondern eine Idee, die das Potential besitzt, die Scheibenwelt aus ihren Angeln zu heben. Die Macht der bewegten Bilder soll nicht nur Vermögen schaffen und Karrieren starten, sondern auch einen ganzen neuen Industriezweig lancieren – das Film-Business erobert die Scheibenwelt, und neben dem angehenden Zauberer Victor und Alchimisten ist auch ein alter Bekannter auf den Zug aufgesprungen – Würstchenverkäufer Schnapper hat die Zeichen der Zeit erkannt, weiß nur er doch, was ein Film braucht: 1000 Elefanten…
Als im Buchherbst der erste „Scheibenwelt“-Roman von dem neuen Übersetzer-Duo, das fürderhin die Romane aus den Englischen übertragen soll, das Licht der Buchhandlungen erblickte, war das Staunen ebenso groß, wie die Kritik. Statt Hardcover mit den kongenialen Titelbildern aus der Werkstatt Paula Kidbys erwarteten den Leser Paperbacks mit Klappenbroschur, Cover aus deutschen Werkstätten und Zauberer, die sich siezten. Neben der Umstellung wurde bekanntgegeben, dass sukzessive auch die bereits erschienen Bände in überarbeiteter Übersetzung neuaufgelegt werden sollen. Als ersten Band hat sich der Verlag die bitterbös-ironische Hollywood-Parodie ausgespäht.
Mit gewohnt spitzer Feder nimmt sich Pratchett den Merkwürdigkeiten des Film-Business an. Neben den offensichtlichen Gags und überspitzen – aber immer treffenden – Charakterisierungen der Stars und Sternchen mit all ihren Allüren nimmt er dabei jede Menge Filmklassiker auf die Schippe.
Anders als bei der ersten Übersetzung werden vorliegend aber auch die eher versteckten Spitzen, die Andeutungen im Verborgenen, die hintergründigen Gedanken Pratchetts um Moral beziehungsweise das Fehlen derselben, über übersteigerte Selbstsucht und Anspruchsdenken der selbsternannten Stars und der Speichellecker mit ins Deutsche übertragen. Das ist zwar nicht wirklich ein neuer Pratchett, doch ein Text, der sich vielschichtiger, ja in Details nachdenklicher präsentiert, der neben dem unbestrittenen Amüsement auch zum Mit- und Nachdenken anregt – Terry wie wir ihn eben lieben.