Kai Meyer: Seide und Schwert – Das Wolkenvolk 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 29. Mai 2011 11:11

Kai Meyer
Seide und Schwert
Das Wolkenvolk 1
Titelgestaltung: Guter Punkt unter Verwendung eines Motivs von Guo Jian
Piper, 2010, Taschenbuch, 406 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-492-26729-8
Von Petra Weddehage
Nugua wurde als Baby den Drachen als Opfer angeboten. Doch statt sie zu fressen, wie allgemein gedacht wurde, haben sie das Mädchen wie einen der ihren aufgezogen. Besonders dem Drachen Yaozi ist sie ans Herz gewachsen, und er ist ihre Familie. Eines Morgens erwacht sie – alleine. Alle Drachen sind verschwunden! Entschlossen begibt sie sich auf die Suche nach den einzigen Angehörigen, die sie kennt, den Drachen.
Niccolo gehört zum geheimnisvollen Wolkenvolk. Da sein Vater sich jedoch nicht an das Verbot hielt, weder zu lesen noch zu schreiben, wurden die beiden an den Randbezirk der Wolkenstadt verjagt. Sie führen seither das Leben von Ausgestoßenen. Als Niccolos Vater tödlich verunglückt, muss sich der Junge alleine helfen, um zu überleben.
Plötzlich geht ein gewaltiges Beben durch die Stadt, und nachdem sich alles wieder beruhigt hat, steckt sie zwischen den Gipfeln eines riesigen Gebirges fest. Das Oberhaupt der Wolkenstadt sucht Niccolo auf, da dieser als einziger die Sprache der Außenwelten spricht. Der Junge soll den Aether, den Atem der Drachen, finden und wird mit Hilfe einer Flugmaschine zur Erde geschickt. Dort trifft er auf Nugua, und sie beschließen, sich gemeinsam auf die Suche nach den Drachen zu begeben. Dabei werden sie in allerlei verrückte Abenteuer verstrickt. Auf ihrem Weg finden sie aber auch treue Gefährten, die ihnen hilfreich zur Seite stehen.
Kai Meyer vereint mehrere Handlungsstränge zu einer wunderbaren Geschichte voller phantastischer Abenteuer, Freundschaft und unerfüllter Sehnsüchte. Da wäre zu einem Niccolo, der versucht, den Aether der Drachen zu finden. Nugua schließt sich ihm an, da auch sie ihre Drachen sucht. Außerdem scheint sie Niccolo mehr als nur zu mögen. Dieser Eindruck wird durch die Schülerin der Unsterblichen, Mondkind, bestätigt. Niccolo seinerseits ist Mondkind seit der ersten Begegnung verfallen. Somit ist reichlich Raum für Romantik und Herzschmerz gegeben. Derweil versucht die Herzoginnentochter Alessia de Medici alles, um ihr Volk zu retten. Zu gerne hätte sie Niccolo auf seiner Reise begleitet. Doch gibt es auch undurchsichtige Protagonisten, wie den Schattendeuter. Dies muss Alessia schon bald auf schmerzhafte Weise erfahren. Für humorige Einlagen sorgt der an sein Drachengewand gebundene Feiquing. Dieser weiß nur noch, dass er den Drachenfriedhof gefunden und der Wächterdrache ihn mit einem Fluch belegt hat. Ansonsten ist sein Gedächtnis, wenn es um ihn selber geht, völlig leergefegt. Ab und zu fördert er jedoch ein Wissen zu Tage, das ahnen lässt, dass der lustig anmutende Geselle ein Gelehrter sein könnte.
Die Namen der Wolkenbewohner zeigen, welche Vorfahren die einzelnen Protagonisten hatten. Da wäre zum Beispiel die herrschende Familie der Wolkenstadt, die „de Medici“. Zahlreiche Anspielungen lassen vermuten das der Erfinder, dem dieser Ort viele technische Errungenschaften zu verdanken hat, kein Geringerer war als Leonardo da Vinci, seines Zeichens Künstler, Erfinder, Futurist und berühmter Provokateur seiner Zeit. Vor allem schien ihn das Fliegen beziehungsweise die Schwerelosigkeit zu faszinieren. Auch Marco Polo aus Italien und andere Zeitgenossen aus dem schönen Venedig inspirierten den Autor zu seiner Geschichte. Es wimmelt nur so von Hommagen, so dass die Leserschaft sicher Freude daraus ziehen kann, diese zu finden und zu enträtseln.
Das Verbot, weder lesen noch schreiben zu dürfen, zeigt, wie schnell ein Volk hilflos werden kann. Selbst der Regent hält sich an diese Bestimmung, sehr zur Freude der Priesterschaft. Als der Wolkenstadt der Absturz und damit der Untergang droht, ist es ausgerechnet ein Ausgestoßener, der die – verbotenen – Kenntnisse besitzt, durch die alle vielleicht gerettet werden können. Niccolo hat jedoch kaum einen Grund, die Wolkenstadt zu erhalten, sehnte er sich doch schon immer danach, die Erde zu betreten und das Gefängnis, das seine Vorfahren wählten, zu verlassen.
Kai Meyer hat chinesische und europäische Sagen mit interessanten Protagonisten, die historische Wurzeln aufweisen, verbunden. Die einzelnen Figuren werden liebevoll in die spannende Story eingewoben, so dass einem vor allem Niccolo und Nugua sehr schnell ans Herz wachsen. Feiquings wird aber bestimmt auch seine Fangemeinde finden. Der liebenswerte Tollpatsch sorgt immer wieder für reichlich seltsame Vorfälle, woraus sich die komischsten Situationen ergeben, über die man schmunzeln muss.
Das erste Buch der Trilogie wurde wunderbar auf den Weg gebracht und lässt Freude auf die nächsten beiden Teile aufkommen. Leser aller Altersstufen, die phantastische Storys aus einem fiktiven Reich der Mitte, historische Anspielungen und mythische Motive mögen, werden von dem Werk des Autors begeistert sein.