Ria – Die Lichtklan Chroniken 1: Same der Hoffnung (Comic)

Ria – Die Lichtklan Chroniken 1
Same der Hoffnung
Text: Thorsten Kiecker
Zeichnungen: Thorsten Kiecker u.a.
Splitter, 2011, Hardcover, 64 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-300-3

Von Frank Drehmel

Als Stenarts „Ria“ während des letztjährigen Comic-Salon Erlangen erstmalig dem breiten Publikum vorgestellt wurde, war die Resonanz geradezu euphorisch. So nimmt es nicht wunder, dass die Serie des Berliner Entwicklergsteams um Thorsten Kiecker binnen relativ kurzer Zeit ihren Weg zum renommiertesten deutschen Verlag für hochwertige Hardcover-Alben – Splitter – gefunden hat, auf dass der „Massenmarkt“ erschlossen werde. Um es vorwegzunehmen: dieser erste Band der Reihe hinterlässt – mehr als wohlwollend ausgedrückt – einen ambivalenten Eindruck. Während die Story selbst indiskutabel simpel, klischeehaft und vorhersehbar geraten ist, reißt das Artwork einen regelrecht hin und her.

Aber beginnen wir mit ein paar Zeilen zum Inhalt.

Während einer Auseinandersetzung mit und der anschließenden Flucht vor den Schergen des bösen Noctus – der Nemesis der Welt Tenebra –, findet der junge Loan, ein begnadeter Jäger und letzter Überlebender des kriegerischen Tusca-Klans, in einer Art Kokon ein schlafendes junges Mädchen und erweckt es. Gemeinsam setzen die beiden ihren Weg fort und landen kurz darauf im Fluggefährt des gutmütigen, alten Uri, eines Menschen, den es nach Tenebra verschlagen hat. Der Alte erkennt in der jungen Frau sofort Ria, die Tochter Siras, Erbin des Lichtklans und prophezeite Erlöserin. Bedauerlicherweise hat das zu frühe Erwecken aus dem Kokon zur Folge, das dem Mädchen ein großer Teil seines Wissen um seine Bestimmung fehlt, sodass dieses Wissen zunächst einmal hergestellt werden muss, bevor Ria und Loan aufbrechen können, um die sieben Teile jenes zerbrochenen Siegels zu suchen, mit dem ihrer Welt eine bessere Zukunft beschert werden kann.

So weit, so schlecht. Der Plot dieser in jeder Phase vorhersehbaren Erlöser-Story reicht in seiner Tiefe sowie der Figurenzeichnung nicht einmal für eine Episode einer beliebigen Toon- oder Anime-TV-Serie des nachmittaglichen Kinderprogramms, geschweige denn für ein Comic über „Pixi-Buch“-Niveau. Nicht eine einzige wirklich neue zündende Idee, sondern stereotype, klischeehafte Motive und Szenarien, die selbst ein Kind aus dem Effeff runterbeten kann, sowie eine Dramaturgie angesichts derer sich sogar anspruchslosere Leser regelrecht verarscht vorkommen müssen.

Da die Story als Nutzen-Argument vollkommen wegfällt, wenden wir uns nun dem Artwork zu. Hier hat das vielköpfige Kreativ-Team in der Tat Bemerkenswertes geleistet. Klare, schwungvoll und markant designte Figuren, die sich entwicklungstechnisch mühelos mit den Charakteren der meisten klassischen Disney-Zeichentrickfilme messen können, agieren vor detailreichen, tiefen Hintergründen, die wie die Figuren selbst atmosphärisch perfekt, farbenfroh und nuancenreich koloriert sind, wobei die einzelnen Bilder sowie die gesamten Seiten zudem zeichnerisch wie farblich bis ins Kleinste durchkomponiert erscheinen. Und genau hier beginnt es, unangenehm zu werden. Man sieht dem Artwork nicht nur die Design-Arbeit an, die die zahlreichen Beteiligten investiert haben, man wird als Leser von dem Gefühl überwältigt, dass der massenkompatible Schein, die erstarrte Pose, die vordergründige Komposition einzig und allein dem Verkauf dienen sollen, einem Zweck, dem sämtliche visuellen Kanten, Ecken und künstlerische Handschriften geopfert werden. Was Modern Talking oder Milli Vanilli einst für die deutsche Musikindustrie waren, scheinen die Macher hinter Stenarts heute für den deutschen Comic werden zu wollen.

Damit bleibt das Interessanteste am diesem Album, der 9seitige redaktionelle Anhang, in dem der Leser nicht nur mehr über Figuren- und Story-Hintergrund erfährt, sondern der auch mit zahlreichen Konzept-Skizzen aufwartet.

Fazit: Das zuckersüße, anspruchsvoll designte – aber tote – Artwork sowie eine an Primitivität kaum zu überbietende Story machen diesen ersten Band vor allem zu einer Empfehlung für Leser, die es gerne absonderlich bunt und leer mögen, für die Design alles und Funktion nichts ist.