Ransom Riggs: Die beachtlichen Misserfolge des Leopold Berry - Sunderworld 1 (Buch)

Ransom Riggs
Die beachtlichen Misserfolge des Leopold Berry
Sunderworld 1
(The Extraordinary Disappointments of Leopold Berry, 2024)
Übersetzung: Simon Weinert
Titelbild: Matt Griffin
Piper, 2025, Hardcover, 414 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Leopold Berry ist 17 Jahre alt, lebt in L. A. und weiß nicht so recht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Seit dem Tod seiner Mutter lässt er sich eher ziellos treiben; sein erfolgsverwöhnter Selfmade-Vater verzweifelt an dem Jungen, der scheinbar zu nichts zu gebrauchen ist. Einzig sein bester Freund aus Kindheitstagen, Emmet, kommt noch an ihn heran.

Seit dem Tod seiner Mutter vor einigen Jahren, hat er die in ihrem Schrank gefundenen Videokassetten einer alten, längst vergessenen TV-Serie rauf und runter geschaut. „Sunderworld“, die Geschichte einer Parallelwelt, in der Magie allgegenwärtig ist, hat es ihm angetan - nicht nur, weil sie eine Verbindung zu seiner ihm fehlenden Mutter darstellt, sondern auch, weil die oftmals oberflächlichen Figuren und Plots ihm die Flucht aus der tristen Alltagswelt ermöglichen.

Seit jenem einschneidenden Ereignis hat er immer wieder Visionen. Der Psychologe meint, sein Unterbewusstsein versuche, den Verlust der Mutter zu verarbeiten. Doch dann geschieht etwas, das eigentlich nicht geschehen, nicht wahr sein kann.

Plötzlich finden sich Leopold und Emmet in Sunderworld wieder. Doch hier ist nichts so, wie sie es aus der Serie kennen oder erwartet haben. Die Magie geht den Bach runter - und es liegt an Leopold, etwas daran zu ändern. Er meldet sich freiwillig, muss eine Prüfung bestehen, deren Aufzeichnung anschließend den Bürgern im TV präsentiert wird. Sein Kampf gegen ein „Noxum“ wird grandios - ebenso wie sein Scheitern. Er hat überzeugt, allerdings nicht wie erhofft als Retter, sondern vielmehr als Witzfigur.

So finden sich die beiden Freunde, ihrer letzten Erinnerungen an „Sunderworld“ beraubt, in ihrer Alltagswelt wieder - bis Emmet, durch die missglückte Gedächtnislöschung, auf dem Niveau eines Schulkindes landet. Leopold weiß, dass nur er - der dafür ja auch verantwortlich ist - es wieder richten kann. Dafür aber muss er dorthin zurück, von wo man ihn verbannt hat. Gut, dass seine verstorbene Mutter ihm eine Spur hinterlassen hat - und dass er dort auf neue Freunde trifft, die ihn unterstützen.


Ransom Riggs hat uns mit den wunderbaren Geschichten um die Besonderen Kinder (dt. bei Droemer Knaur erschienen) eine einzigartige Welt geschenkt. In diesen Romanen erzählte er auf ganz eigene, fesselnde Weise von einer magischen Parallelwelt und stellte seine phantastischen Protagonisten mit alten, skurrilen Fotos auch bildlich vor.

Sein neuer Roman um Leopold Berry ist anders - ganz anders.

Zunächst zum Äußeren. Hier hat sich Piper wirklich etwas einfallen lassen. Der Roman wird uns (Boomer) als vermeintlich gebrauchte VHS-Kassette präsentiert - es gibt sogar entsprechende Aussparungen, an denen sich die Kassette aus der Hülle ziehen lässt, die zudem geriffelt isr. Chapeau, Piper, das ist einfallsreich, authentisch und very well done!

Die Story selbst liest sich durchaus flüssig und unterhaltsam, lässt jedoch Tiefe vermissen. Die Charakterisierung Leopolds bleibt recht rudimentär; über Emmet erfahren wir wenig, und der Konflikt mit dem despotischen, unempathischen Vater bleibt allzu oberflächlich.

Mehr noch. Gerade als die Handlung scheinbar die Kurve nimmt und etwas faszinierender sowie weniger vorhersehbar wird, ist das Buch zu Ende. Fortsetzung folgt - irgendwann einmal.

Riggs hat versucht, uns eine eigene Superhelden-Geschichte zu präsentieren. Nur taumelt Leopold ebenso unbeholfen wie tapsig durch die Handlung. Das ist weder ein ernstgemeinter Superhelden-Roman, noch eine gelungene Persiflage darauf. Letztlich wirkt der Handlungsort wie eine lächerlich unglaubwürdige Bühne, das Geschehen voller inhaltlicher Sprünge.

Wo nur ist die erzählerische Brillanz des Autors geblieben - seine feine Charakter-Zeichnung, sein Gespür für Emotionen?

So gelungen und liebevoll die äußere Gestaltung des Buches auch ist, sie kann letztlich nicht über die inhaltlichen, wie stilistischen Schwächen des Textes hinwegtäuschen.

Man mag den Roman flüssig, abwechslungsreich und kurzweilig finden - doch von Ransom Riggs hatte ich mir sehr viel mehr erwartet und erhofft. So klappte ich das Buch leider enttäuscht zu.