Muna Germann: Die Aschenpuhlerin (Buch)

Muna Germann
Die Aschenpuhlerin
Titelmotiv von Birgit Ludwig
cenarius, 2007, Paperback, 212 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-940680-03-7

Von Irene Salzmann

Im Traum gelangt Diane in die Welt des Märchens „Aschenputtel“. Von der Elfe, die sie dahin gebracht hat, erfährt sie, dass etwas schiefgegangen ist, denn eigentlich dürfte sie sich nicht an ihr ‚wahres Leben‘ erinnern. Aus diesem Grund möchte sich Diane auch nicht in die ihr zugedachte Rolle als Jannas – Aschenputtels – Freundin einfügen und mit Graf Alexander glücklich werden: Wenn sie schon in einem Märchen mitspielen soll, dann will sie auch im Mittelpunkt stehen und den Prinzen bekommen.

Prompt läuft das Märchen aus dem Ruder. Dianes Bruder Rudolf stirbt im Krieg, und so verliert Janna ihren Liebsten. Sie vergiftet ihre Stiefmutter und landet ins Gefängnis. Nun ist der Weg zum Prinz frei für Diane, doch als sein Interesse an ihr zu keimen beginnt, wird ihr klar, dass ihr Herz tatsächlich Alexander gehört, der im Kampf gegen einen Drachen schwerverletzt wurde. Es gelingt ihr, das Ungeheuer zu erschlagen, doch statt mit der Drachentöterin glücklich zu werden, zieht sich Alexander ins Kloster zurück. Und noch mehr Überraschungen und Enttäuschungen warten auf Diane – sogar noch, als der Traum endet...

Muna Germann erzählt eine sehr eigenwillige, moderne Version von „Aschenputtel“, wobei sie auch auf Motive aus zum Beispiel „Schneewittchen“, der Legende vom „Drachentöter“ und dem Film „Drei Nüsse für Aschenbrödl“ zurückgreift. Indem sie mit Diane eine selbstbewusste, emanzipierte Heldin zum Dreh- und Angelpunkt macht, die das Märchen nach ihren eigenen Wünschen umgestaltet, parodiert sie sowohl die Verhaltensmuster der literarischen Archetypen als auch die der Feministinnen, die oft im Kontrast zueinander stehen. Tatsächlich gelingt es Diane, den Verlauf des Märchens zu beeinflussen, doch ihre Taten haben stets Konsequenzen, die auch auf sie selber zurückfallen. Sie richtet – auch wenn es bloß eine Traumwelt ist – großen Schaden an und kann diesen erst beheben, nachdem sie begriffen hat, dass der scheinbare Hauptgewinn nicht das ist, was sie wirklich will, dass sie nicht immer mit dem Kopf durch die Wand kann und dass Gewalt keine Lösung ist.

Bis sie sich weiterentwickelt, wirkt sie nicht immer sympathisch, denn so mancher Unglücks- oder Todesfall geht auf ihr Konto. Auf die Gefühle anderer nimmt sie keine Rücksicht, da sie bloß an sich selber denkt und ihren Willen um jeden Preis durchzusetzen versucht. Von daher wundert es nicht, dass sie trotz später Kompromisse und Einlenkens ihr Glück nicht festhalten kann – Strafe muss sein! –, wenngleich es am Schluss eine kleine, versöhnliche Überraschung gibt.

Die Autorin schreibt flott und zeitgenössisch und bedient sich nicht des geschraubten Märchenstils. Dadurch lässt sich das Buch angenehm lesen, auch wenn einem der Egoismus und das viele schnoddrige Reden und eigensinnige Reflektieren der Hauptfigur stellenweise etwas auf die Nerven gehen. Heraus kommt, was man auch zuvor schon wusste, dass ein gesunder Mittelweg vielleicht doch nicht die schlechteste Wahl ist. Muna Germann ist eine amüsante Parodie auf viele Klischees gelungen – doch so lustig, wie man meinen möchte, ist die Geschichte letztlich nicht.