Vincent Voss: Infiltriert (Buch)

Vincent Voss
Infiltriert
Titelbild: Timo Kümmel
Verlag Torsten Low, 2019, Taschenbuch, 316 Seiten, 14,90 EUR

Rezension von Elmar Huber

Alles beginnt mit Regen, der von einem wolkenlosen Himmel fällt. Noch während man sich in der Nachbarschaft über das merkwürdige Phänomen unterhält, gegenseitig pseudowissenschaftliches Hörensagen austauscht, spielen die Fernsehgeräte verrückt und bannen den wie hypnotisiert wirkenden Großteil der Bevölkerung vor den Bildschirmen.

Tags darauf berichten auch die Schüler von Biologielehrer Florian „Flo“ Daunert von dem merkwürdigen Verhalten während der TV-Störung. Flos Aufmerksamkeit ist geschärft, als ihm seine Tochter Lynn später vom untypischen Benehmen ihrer Mutter und ihrer Schwester erzählt. Ist hier tatsächlich eine kollektive Beeinflussung im Gange, und er und Lynn sind wegen ihrer Rot-Grün-Blindheit immun?

Es folgen weitere skurrile und auch beängstigende Szenen. Menschen erhalten verstörende Telefon-Anrufe, bei denen bloß Rauschen zu hören ist, oder stehen nur apathisch auf einer Stelle, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Es scheint plötzlich, als würden alle Menschen um Flo und Lynn nur vorspielen, normal zu sein.

Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Tom versucht Flo herauszufinden, was hier vor sich geht.


In gewisser Weise bleibt Vincent Voss auch mit „Infiltriert“ seiner Affinität zu den 80er Jahren treu - bereits „Wasser“ hatte einen deutlich spürbaren „80er-Coming-of-Age-Vibe“; „Töte John Bender“ bezieht sich direkt auf „Der Breakfast-Club“. Für „Infiltriert“ dürfte Tobe Hoopers 1986er Version von „Invasion vom Mars“ eine Inspiration gewesen sein, in der sich ebenfalls vertraute Menschen plötzlich merkwürdig und beunruhigend verhalten. Neben dem allgemeinen „Körperfresser“-Thema (Außerirdische nehmen von Menschen Besitz) natürlich, dass seit den 50ern ebenfalls zahlreiche filmische Bearbeitungen erfahren hat.

Dem Autor gelingen einige sehr beklemmende Szenen. Nicht nur das allgemein befremdliche und bedrohliche Verhalten der Personen verursacht eine Gänsehaut, auch beobachtet Flo auf seiner Joggingrunde, wie in einer buchstäblichen Nacht-und-Nebel-Aktion an bestimmte Häuser Mülltonnen geliefert werden und an andere Adressen nicht. Dies wirft die Frage auf, wie weit die Beeinflussung schon in die Gesellschaft und an entscheidende Stellen gedrungen ist.

Der dritte Akt von „Infiltriert“ schwenkt in Richtung „V - Die außerirdischen Besucher kommen“. Es bildet sich eine regelrechte Widerstandsbewegung, die auf paramilitärische Weise gegen die außerirdischen Invasoren vorgeht. Damit verliert „Infiltriert“ den Reiz des Geheimnisvollen. Die zuvor herrschende latente Beunruhigung ob des unbekannten Gegners und der Unkenntnis, inwieweit einzelne Personen bereits „umgedreht“ sind, weicht einem beinahe reinen Action-Gewitter. Inmitten von Guerilla-Aktionen und Waffengefechten droht man den Überblick und mit steigender Wiederholungszahl auch das Interesse am Geschehen und den Personen zu verlieren.

Das Covermotiv und die Umschlaggestaltung wurden diesmal von Timo Kümmel übernommen. Sehr gelungen wird hier die reduzierte Farbpalette für Motiv und Schriftzüge ausgenutzt.