Stella Harris: Die Nacht der wilden Tigerin (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 06. April 2025 07:49

Stella Harris
Die Nacht der wilden Tigerin
Blue Panther Books, 2024, Taschenbuch, 142 Seiten, 12,90 EUR
Rezension von Irene Salzmann
Die Autorin mit dem Pseudonym Stella Harris bezeichnet sich selbst als Weltenbummlerin und verrät, einige Jahre in Südostasien gelebt zu haben. Dies macht sich bei den Beschreibungen der Locations und kulturellen Details bemerkbar, jedoch weitgehend reduziert auf die erotische Komponente, denn die Mehrheit der Blue-Panther-Books-Leserschaft interessiert sich weniger für das Drumherum, dafür umso mehr für deftige, vielleicht auch exotisch anmutende, Sex-Praktiken - und dieser Anspruch wird bestens erfüllt.
Nach „Im Delta der Mekong“ liegt nun mit „Die Nacht der wilden Tigerin“ der zweite Roman von Stella Harris vor und entführt die Leserschaft nach Indonesien.
Amara und Malte sind seit einigen Jahren verheiratet und kinderlos. Sein Beruf mit gutem Einkommen erlaubt ihr einen luxuriösen Lebensstil, doch wirklich glücklich ist sie nicht. Zu selten ist Malte daheim, und wenn, dann ist er fast immer zu müde für Sex. Eine Dienstreise nach Indonesien soll ihre fade Ehe wieder in Schwung bringen, doch nach den ersten hoffnungsvollen Tagen respektive Nächten stellt sich wieder der langweilige, von Verhandlungen und Geschäftsessen geprägte Alltag ein.
Ernsthaft beginnt Amara zu überlegen, ob sie sich einen Liebhaber zulegen soll, um der Einsamkeit und dem sexuellen Frust zu entfliehen. Als Andi, einer von Maltes Geschäftspartnern, mit einem eindeutigen Angebot an sie herantritt, zögert sie nicht, dem charmanten Mann zu Willen zu sein - für Sex, Geld und Verträge für Maltes Firma. Ihr schlechtes Gewissen ist nicht von Dauer, denn in diesen Kreisen ist es üblich, sich zu nehmen oder zu kaufen, was man haben will; es muss nur diskret geschehen. Auch gibt es keinerlei Zweifel daran, dass Malte ebenfalls in fremden Betten landet.
Doch selbst die Affäre mit Andi macht Amara nicht glücklich, befriedigt sie nicht einmal hinreichend. Schließlich kommt es zum Streit zwischen ihr und Malte, denn ihr wird klar, dass es nichts gibt, was sie - außer Sex - jemals verbunden hat, und den holen sie sich mittlerweile anderswo.
Bei Susan, die sie für eine Freundin hielt, findet Amara nach der Trennung von Malte nicht die erhoffte Unterstützung, aber immerhin bekommt sie einen Rat: Amara soll von Jakarta nach Yokyakarta, beides gelegen auf Java, reisen. Dort lebt Susans Bruder, ein Dalang, der vielleicht helfen kann herauszufinden, was Amaras Leben fehlt, was Liebe ist und was sie überhaupt will.
Doch schnell zieht sie Hartos Zorn auf sich - und er verwandelt sie in eine Tigerin, die nur dann wieder ein Mensch werden und bleiben kann, wenn ein Mann sie in der Vollmondnacht bis zum Morgengrauen liebt und bei ihr bleibt.
Die Kulisse des Romans, Indonesien, sorgt von Beginn an für eine exotische Atmosphäre, die durch Insider-Informationen aufgewertet wird. Hauptfigur Amara bewegt sich weitgehend unter den Schönen und Reichen, die, wie überall, in Saus und Braus leben und für sich eigene (Ausnahme-) Regeln geschaffen haben, woran die Bevölkerungsmehrheit keinen Anteil hat. Erst durch die Verlagerung der Handlung nach Yogyakarta wird der Unterschied zur einfachen Bevölkerung in Andeutungen sichtbar.
Mit dem Dalang taucht ein Schamane auf, der kein Repräsentant einer der fünf auf Indonesien anerkannten Weltreligionen (Islam, Christentum, Hinduismus, Buddhismus, ‚Konfuzianismus‘) ist und eine Form der traditionellen Religionen praktiziert, die durch die Regierung eingeschränkt werden.
Das ist freilich nicht Thema des Buchs. Harto trägt jene Mystery-Elemente in die Geschichte, welche keine der erlaubten und vor allem bekannten Religionen auf den ersten Blick zu bieten hat. Ob man daran glaubt, dass Amara einige Wochen als Tigerin umherstreift oder nur davon träumt, darf jeder für sich selbst entscheiden (Amara kommt nicht auf die Idee, nach ihrer ‚Rückwandlung‘ das Datum zu erfragen).
Genau hier liegt bedauerlicherweise der Knackpunkt. Hat man erwartet, dass Amara ihre Fehler erkennt, sich ändert und neue Ziele setzt, vielleicht den richtigen Mann findet, der sie liebt und den sie lieben kann, wahren jedoch sie und die übrigen Figuren weiterhin ihre Distanz zum Leser, wirken wenig sympathisch, bedienen diverse Klischees (zum Beispiel weniger gut bestückte, nur aufs eigene Vergnügen bedachte asiatische Männer [keine Kamasutra-Freuden für beide]) - und alles bleibt irgendwie gleich, denn Amara will weiterhin Sex, gibt und nimmt im Bett. Dass sie selbstloser wird, ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellt, um dem Partner Freude zu bereiten, soll die Lösung sein, aber nur, weil es die Autorin so erklärt, nicht weil Amara sich spürbar verändert und der Leser dies erfasst. Schade!
„Die Nacht der wilden Tigerin“ macht Spaß, weil der Erotik-Roman nicht dem üblichen Sex-Einerlei folgt und die Autorin Insiderwissen zum Hintergrund einfließen lässt. Leider schafft sie es nicht, ein Sympathie-Band zwischen dem Leser und den Figuren zu knüpfen. Kleine Ungenauigkeiten lassen weder ein richtiges Mystery-Feeling noch eine echte Weiterentwicklung der Hauptfigur zu - da wäre mehr drin gewesen. Dennoch einer der besseren Titel bei Blue Panther Books, an dem vor allem ein Publikum Freude hat, das Wert auf ein weniger gängiges Setting legt.