Joan Samson: Der Auktionator (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 29. März 2025 15:29

Joan Samson
Der Auktionator
(The Auctioneer, 1975)
Übersetzung: Heiner Eden
Titelbild: Wendell Minor
Festa, 2022, Hardcover, 382 Seiten, 36,99 EUR
Rezension von Elmar Huber
In der Kleinstadt Harlowe geht alles seinen gemächlichen Gang. Das Dorfleben ist geprägt von Einklang und Genügsamkeit, jeder ist mit dem zufrieden, was er hat. Mit der Ankunft von Perly Dunsmore, der in der Stadt ein Auktionshaus eröffnet, beginnt sich die Stimmung in Harlowe zu ändern.
Die ersten Einnahmen seiner Auktionen sollen, so verspricht der Auktionator, der Polizei des Ortes zugutekommen, da es kurz zuvor einen unaufgeklärten Mord gegeben hat. Die Truppe soll verstärkt werden, den Beamten werden neue Autos und neue Ausrüstung versprochen, so dass dem Sheriff und seinen Mitarbeitern daran gelegen ist, möglichst viel Gewinn bei der Auktion zu erwirtschaften. Die umliegenden Farmen werden nach entbehrlichen Stücken abgeklappert, die zu diesem Zweck versteigert werden können. Der Erfolg der Auktion zieht mehr und mehr solcher Maßnahmen nach sich, die Schar von Helfern, die in Dunsmores Schuld stehen, wird immer größer.
Die Sammel-Aktionen bei den Bewohnern Harlowes geraten zur wöchentlichen Regelmäßigkeit, bis die „Spenden“ bei einigen Familien sogar die Lebensgrundlage bedrohen. Möbel, Maschinen und sogar Nutztiere kommen unter den Hammer. Und auch wenn sich die Familien gegenseitig jede Woche schwören, nichts mehr abzugeben, findet sich doch immer etwas, das die Sammler, nun in Begleitung der neu bewaffneten Polizeikräfte, mitnehmen können. Von den Familien, die schließlich nichts mehr erübrigen konnten, hört man, dass sie verschwunden seien.
„Der Auktionator“ blieb leider der einzige Roman von Joan Samson, die nur Monate nach der Veröffentlichung einem Gehirntumor erlegen ist. Aus heutiger Sicht kann man die Erzählung als Grundlage sehen, auf die Stephen King „In einer kleinen Stadt“ oder Bentley Little „The Bank“ aufgebaut hat. In allen Fällen wanzt sich eine verderbliche Autorität in eine kleine Gemeinde ein und nutzt die Begehrlichkeiten, die Schwächen und auch die Ängste der Bewohner aus, um sie gegeneinander auszuspielen und damit in eine Spirale des Verderbens zu ziehen.
Im Gegensatz zu den beiden sehr plakativen Vertretern geht Joan Samson subtiler und leiser zu Werke. Statt einzelne Szenen und Protagonisten überall in der Stadt zu zeigen, bleibt die Autorin beinahe ausschließlich auf der Farm von John und Miriam „Mim“ Moore, die als stellvertretende Protagonisten für die Dorfgemeinschaft dienen. Man wird Zeuge, wie das Verhalten von Dunsmores Sammlern immer beunruhigender wird, auch wenn es nie zu Handgreiflichkeiten oder einer direkten Bedrohung von Leib und Leben kommt. Nach und nach wird das bislang harmonische Familiengefüge der Moores aufgerieben, die Lage wird immer bedrückender, die Wut wächst. Unwillkürlich fragt man sich, wie weit man selbst bereit wäre, dem Druck standzuhalten und diese sich schrittweise steigernde Schikane unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit zu akzeptieren.
Mit diesem Roman hat der Festa Verlag wieder ein echtes Schätzchen der Vergangenheit ausgegraben, das nicht nur in Deutschland nahezu unbekannt war - trotz des offenbar immensen Erfolgs bei Erscheinen wurde das Buch nie für den deutschen Markt optioniert -, sondern auch aktuelle, gesellschaftliche Relevanz besitzt. Vielleicht ist das der Grund, warum die Wertigkeit und die Nachfrage auf dem Second Hand-Markt (auch in den USA erfolgte in beinahe 30 Jahren keine Neuauflage) nie abgeebbt ist.
Enthalten ist außerdem ein Vorwort von Grady Hendrix (Autor von „Horrorstör“ und „Der Exorzismus der Gretchen Lang“) und ein sehr persönliches Nachwort von Samsons Ehemann Warren Caberg. Als Cover-Motiv wurde das eigens erstellte Bild der Erstauflage verwendet; der deutsche Titelschriftzug ist dem Original nachempfunden.
Mit „Der Auktionator“ hat Festa erneut einen grandiosen Fund auf dem Dachboden amerikanischer Underground-Literatur gemacht und nach Deutschland gebracht