T. Kingfisher: Was die Nacht verschweigt (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 27. Februar 2025 12:26

T. Kingfisher
Was die Nacht verschweigt
(What Feasts at Night, 2024)
Übersetzung: Elena Helfrecht
Cross Cult, 2024, Hardcover, 186 Seiten, 20,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Willkommen zurück in der Welt, die uns T. Kingsfisher erstmals in „Was die Toten bewegt“ vorgestellt hat. In jenem Kurzroman griff sie die Handlung von Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ auf, wandelte den Plot um, integrierte neue Elemente und ein gehöriges Maß an starken Frauen - fertig war der Bestseller.
Nun geht es in die Heimat des Eidsoldaten Alex Easton. Gallazien, ein fiktives Land in Osteuropa zum Ende des 19. Jahrhunderts, ist ein karges, armes Land. Hier besitzt Alex eine Jagdhütte in den Bergen, in die sie die englische Mykologin Miss Potter eingeladen hat.
Dass Alex‘ Bursche Angus ein wenig in die resolute Forscherin verschossen ist heißt, dass sie einen besonders guten Eindruck machen möchten. Da kommt es ungeschickt, dass der Mann, der sich um die Jagdhütte kümmern soll, just unter mysteriösen Umständen verstorben ist. Die Dorfbewohner munkeln von der Heimsuchung durch eine Moroi - der Geist einer nicht auf geweihtem Boden bestatteten Frau -, was Alex natürlich weit von sich weist.
Allerdings hat sie im Haus der Ushers Dinge gesehen und erlebt, die ihre Rationalität doch etwas ins Wanken gebracht haben.
Zur Unterstützung haben sie im Dorf eine rüstige Witwe als Köchin und Anstandsdame sowie deren Enkel angeheuert. Als der Enkel erkrankt und über eine Frau berichtet, die ihm im Traum den Atem stiehlt, ahnt Alex noch nicht, dass auch ihr in Kürze größere Probleme bevorstehen, Luft zu bekommen…
Beginnen möchte ich damit, der Übersetzerin ein Lob auszusprechen. Die Übertragung aus dem amerikanischen Englisch liest sich sehr angenehm. Die besondere Stärke Kingfishers, alias Ursula Vernon, atmosphärisch dicht zu schreiben, wird gerade zu Anfang des kurzen Romans wunderbar ins Deutsche umgesetzt.
Kingfisher wandelt vorliegend auf eigenen Pfaden. Sie nutzt die in „Was die Toten bewegt“ neu von ihr kreierten Figuren, setzt diese in eine frische Umgebung. Das Übernatürliche nimmt dieses Mal eine deutlich beherrschendere Rolle ein, wobei sie eine Autorin ist, die sich immer gerne Zeit lässt, ihren Plot zu entwickeln. Besonders die zutagetretenden kulturellen Gegensätze zwischen der ländlichen Bevölkerung und den weitgereisten Globetrottern fügen der Handlung einige humorvolle Elemente hinzu. Die resolute, ihr Herz zumeist auf der Zunge tragende Witwe etwa ist derart dominant, dass die gestandene Kriegerin Alex keinen Punkt gegen sie macht.
Das Übernatürliche in Gestalt der Moroi fügt dem Plot dann ein Grusel-Element hinzu. Geschickt verwurzelt die Verfasserin dieses in der lokalen Folklore der Gegend, verteufelt das Wesen aber nicht, sondern zeigt es letztlich selbst als Opfer.
Alles in allem ein wohltuend kurzes Buch, das seinen Plot geruhsam entwickelt, dabei vielschichtige Figuren mit atmosphärisch dichten Beschreibungen verknüpft und mich an seine Seiten gebannt hat.