T. Kingfisher: Was die Toten bewegt (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 26. Februar 2025 12:09

T. Kingfisher
Was die Toten bewegt
(What Moves The Dead, 2022)
Übersetzung: Elena Helfrecht
Cross Cult, 2024, Hardcover, 192 Seiten, 20,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Wer sich für das Genre des Unheimlichen interessiert, stößt unweigerlich auf zwei Personen, die dieses bis heute prägen. Neben H. P. Lovecraft ist dies Edgar Allan Poe - und bei letzterem insbesondere seine Novelle „Der Untergang des Hauses Usher“.
Der Inhalt dürfte jedem Genre-Fan geläufig sein; ein heruntergekommenes Gemäuer, ein seltsamer See, ein Geschwisterpaar, das vom Bösen bedroht wird, ein Mord.
T. Kingfisher hat sich des Themas angenommen, es variiert und daraus dann ihren eigenen Kurzroman verfasst.
Interessant wird der Text auch dadurch, dass die Autorin neue Figuren eingeführt hat. Da ist zunächst einmal eine Söldnerin zu nennen, die uns als Erzählerin dient. In einer Welt, in der Frauen gemeinhin mit den drei großen K abgespeist werden, schwören die Eidsoldaten - eben Frauen mit Freiheitsdrang - in einem fiktiven, armen osteuropäischen Land, ihren Eid und schon dürfen sie aufs Schlachtfeld.
Alex Easton, so heißt unsere Protagonistin, eilt zum Anwesen der Geschwister Usher. Einst hatte Roderick Usher unter ihr gedient, mit seiner Schwester verbindet sie eine enge Freundschaft. Jetzt liegt Madeline Usher im Sterben. Schon auf dem Weg begegnet ihr Miss Potter, eine Engländerin aus altem Schrot und Korn. Dass diese sich als Mykologin mit Pilzen beschäftigt wird noch wichtig, als Madeline stirbt und trotz gebrochenem Genick umherwandelt…
T. Kingfisher ist bei uns zu Unrecht relativ unbekannt. Ihr bei Eichborn erschienener, mit dem Hugo Award ausgezeichneter Roman „Wie man einen Prinzen tötet“ entging der Aufmerksamkeit vieler Fans des Genres. Dass sie schreiben kann - und das sehr, sehr gut - bewies sie dort, wie auch in der ersten von zwei längeren, lose zusammenhängenden Novellen bei Cross Cult.
Sie wandelt darin die Poe‘sche Vorlage geschickt ab. Interessant wird es auch, wenn sie uns eine Welt zeigt, deren Kultur sich von den unsrigen unterscheiden. Hier ist insbesondere Gallazien, die Heimat unseres Eidsoldaten - mit dem Eid verliert sie ihr Geschlecht, was sich in den verwendeten Spezialpronomen widerspiegelt - zu nennen. Ein karges, armes Land, das eigentlich nur seine Soldaten als Söldner gewinnbringend exportieren kann.
Und sie präsentiert uns Figuren, die nur auf den ersten Blick stereotyp wirken. Die frühere Soldatin ist beileibe keine brutale Schlächterin ohne Moral, sondern eine Frau, die sich um ihre Freunde und Untergebenen sorgt, die Neugier an den Tag legt und sich für das, was ihr wichtig ist, entschieden einsetzt. Dass sie den schwierigen Weg eingeschlagen hat, um sich ihre Freiheit und ihr Selbstbestimmungsrecht zu sichern, weckt unsere Hochachtung. Dann eine weitere starke Frauenfigur: die Forscherin, die ihr Leben der Beschäftigung mit Pilzen gewidmet hat. Sie echauffiert sich zu Recht, dass sie es viel schwieriger hat wahr- und erstgenommen zu werden, als ihre männlichen Kollegen. Die königliche Gesellschaft für Mykologie diskriminiert sie aufgrund ihres Geschlechts, dabei beweist sie ihre Intelligenz, resolutes Durchsetzungsvermögen und Mut angesichts der auftretenden Gefahren. Statt wie viele andere wegzuschauen, sich nur nicht einzumischen, unterstützt sie Alex tatkräftig, ja entscheidend.
Immer geht es auch darum, das Geschehen einzuordnen und zu verstehen. Hier ist Miss Potter gefordert und wird ihrer Rolle, die mich ein ganz klein wenig an Miss Marple erinnert, wunderbar gerecht. Hinzu gesellt sich der Bursche von Alex - ein alternder, äußerlich mürrischer Diener, der einen ganz eigenwilligen, trockenen Humor sein Eigen nennt.
Zwar wissen wir, wie die Handlung enden wird, doch die Unterschiede zur Vorlage, die eigenen Einfälle Kingfishers, faszinierten und fesselten mich an die Seiten.
Insoweit ein kleines gebundenes Büchlein, das die Zeit im Wartezimmer oder in der Bahn wunderbar stimmig und überraschend vertreibt, das interessante Figuren und Ideen anbietet und eine Lektüre allemal wert ist.